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Die Feuertaufe: Richard Bolitho - Fahnrich zur See - Kent Alexander - Страница 5


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In Luv, bei den Finknetzen, stand ganz allein der Kapitan. Er hatte sich in seinen langen Bootsmantel gewickelt, aber sein Haar flog im Wind, als er zu den gerefften Toppsegeln emporblickte. Mehr Leinwand als diese und den Kluver konnte das Schiff bei solcher Brise nicht verkraften.

Wahrend seiner ganzen Zeit an Bord der Gorgon hatte Bolitho den Kapitan noch nie aus solcher Nahe gesehen wie jetzt. Von weitem wirkte er sehr kuhl und wurdevoll, anscheinend unberuhrt von dem Durcheinander der schimpfenden Deckoffiziere.

Dancer knirschte mit den Zahnen.»O Gott, ich bin ganz steif vor Kalte!»

Leutnant Hope, der Verantwortliche fur den Fockmast, schrie:»Entern Sie mit Ihren Leuten auf, Mr. Bolitho! Und mindestens zwei Minuten schneller als letztes Mal!»

Eine Pfeife schrillte, und es ging wieder los. Die leichtfu?igen Toppmatrosen preschten um die Wette die Webeleinen hoch; die Neuen, weniger Wagemutigen mu?ten von den Fluchen und nicht selten auch von den Stockschlagen der Deckoffiziere hinaufgejagt werden. Und uber all dem Larm ertonte Verlings Stimme, verzerrt und kaum noch menschenahnlich, die jeden einzelnen kontrollierte und steuerte.

«Noch mal an die Luvbrassen! Mr. Tergorren, in Ihrer Division ist ein Mann, der bummelt! Wo, zum Teufel, haben Sie Ihre Augen? Noch zwei Mann an die Kreuzbrassen!«Unablassig schallte seine Stimme uber das Deck.

Hinauf an diesen rauhen, schwankenden Webeleinen und um die Puttingswanten herum, und dann hingen sie da oben uber die Breite des Schiffsrumpfes hinaus, unter sich die schaumende See, und klammerten sich fest mit Fingern und Zehen, damit sie nicht absturzten. Dann atemlos weiter zum Vortopp, wo andere Manner schon hoherenterten, und noch hoher, bis zur Marssegelrahe. Auf allen Rahen schwarmten sie aus, affengleich, bearbeiteten mit Nageln und Fausten die dicke, steifgefrorene Leinwand, um noch ein Reff zu stecken; und dabei tat jeder windgefullte Segelbauch sein Bestes, um die Manner von ihrem luftigen Standplatz zu schleudern und in die See zu fegen. Tranen der Wut und Verzweiflung hatten sie in den Augen, und sie fluchten gra?lich, wenn das rauhe Tuch der Sturmsegel ihnen die Fingernagel abri?, und stie?en ihre verangstigten Kameraden beiseite, die sich an ihnen festklammern wollten.

Bolitho hielt sich an einer Pardune und beobachtete, was sich in den anderen Masten abspielte. Es war fast geschafft, und das Schiff reagierte bereits auf den verminderten Druck der Segel. Weit unten, zwergenhaft in der Verkurzung, sah er die Deckoffiziere und die Matrosen des Achterdecks, welche die Fallen und Brassen festzurrten. Immer noch stand der Kapitan an Luv und beobachtete prufend die Rahen. War er besorgt? fragte sich Bolitho. Bestimmt sah man es ihm nicht an.

«Belegen, Mr. Hope!«brullte Verling.»Da sind anscheinend ein paar Kruppel in Ihrer Division! Sie sollten heute vormittag mal Extra-Segelausbildung ansetzen!»

Bolitho und Dancer rutschten an einem Backstag an Deck, wo Mr. Hope vor Wut kochte.»Diese gottverdammte Bande mache ich fertig!«knurrte er. Mit einem Blick auf die beiden fuhr er etwas ruhiger fort:»Und euch zwei auch, wenn ihr die Leute nicht scharfer antreibt!»

Dann ging er nach achtern, und Bolitho sagte:»Er ist gar nicht so schlimm, wie er tut. Komm, Martyn, wollen mal sehen, was der junge Starr uns zum Fruhstuck aufgehoben hat. Sinnlos, jetzt noch mal in die Hangematte zu klettern. Es wird doch gleich wieder ›Alle Mann‹ gepfiffen.»

Als sie atemlos in die feuchte, aber wenigstens sichere Midshipmen-Messe sturzten, erwartete sie dort ein durrer, gravitatisch blickender Mann im einfachen blauen Rock. Bolitho wu?te bereits, da? es Henry Scroggs, der Kapitansschreiber, war. Er hatte sein Logis nebenan bei der Steuermannsmaaten.

«Bolitho?«fragte Scroggs kurzangebunden. Eine Antwort wartete er nicht erst ab.»Melden Sie sich beim Kapitan. Mr. Marrack hat sich den Arm verletzt, und Mr. Grenfell ist auf Fruhwache. «Unbewegten

Gesichts wartete er ein paar Sekunden und blaffte dann:»Na los, hopp-hopp, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!»

Bolitho starrte ihn verwirrt an; ihm fiel ein, was Marrack uber saubere Hemden gesagt hatte, und er wu?te, wie unordentlich er gerade jetzt aussah.

«Komm, ich helfe dir beim Umziehen«, sagte Dancer.

«Keine Zeit!«fuhr der Schreiber dazwischen.»Nach Grenfell und Marrack sind Sie der Dienstalteste. Der Kapitan ist sehr scharf in solchen Dingen. «Er schwankte etwas, als das Schiff langsam uberholte und eine kochende See auf das Oberdeck flutete.»Etwas Beeilung, rate ich Ihnen!»

Bolitho griff nach seinem Hut und sagte beklommen:»Also schon. «Dann duckte er sich unter die Decksbalken und machte sich auf den Weg.

Schwer atmend stand Bolitho vor einer wei?gestrichenen Tur in der Kampanje. Im Vergleich zu den uberfullten Zwischendecksquartieren, in die sich soeben massenweise und polternd die schattenhaften Gestalten der Matrosen ergossen, die von der Arbeit in den Rahen zuruckkamen, fand er es hier ausgesprochen ruhig. Neben der Tur, unter dem Lichtstrahl der Deckenlaterne, stand steif und starr ein Seesoldat Wache und blickte Bolitho dienstlich kalt entgegen. Dann rief er laut:»Signal-Midshipman, Sir!«und gab seiner Meldung weiteren Nachdruck, indem er mit seiner Muskete kraftig aufs Deck stampfte.

Die Tur ging auf, und Bolitho erblickte den Kapitanssteward, der ihm heftig winkte und die Tur gerade so weit offenhielt, da? er eintreten konnte. Genau wie der Lakai in einem vornehmen Haus, der nicht recht wei?, ob der Besucher willkommen ist oder nicht, dachte Bolitho.

«Wenn Sie hier warten wollen — Sir. «Aber vor dem» Sir «hatte er eine kleine Pause eingeschaltet.

Bolitho wartete. Es war eine elegante Diele, die zum Speiseraum des Kapitans fuhrte und die ganze Breite des Schiffsrumpfes einnahm. Glaser und Geschirr klirrten in einem geraumigen Mahagonischrank, und uber der langen polierten Tafel schwang gleichma?ig, die Bewegungen des Schiffes auffangend, ein rundes Tablett mit Glasern und Karaffen. Auf den Decksplanken lag ein Teppich mit einem sauberen

Muster aus schwarzen und wei?en Karos, und die Neunpfunderkanonen an den beiden Schmalseiten waren zuchtig mit buntem Chintz verdeckt. In der nachsten Zwischenwand offnete sich eine Tur, und der Steward sagte:»Hier herein, bitte, Sir. «Er blickte Bolitho beinahe verzweifelt entgegen.

Die Kapitanskajute. Bolitho stand im Turrahmen, den Dreispitz unter den Arm geklemmt, und staunte. Wieviel Platz der Kapitan hatte!

Die Kajute war hochelegant: uber die hohen Fenster im Heck des Schiffes zogen sich lange Streifen von Salz und getrocknetem Schaum, so da? sie in dem grauen Fruhlicht fast wie Kathedralenfenster wirkten und den Raum noch gro?er erscheinen lie?en.

Kapitan Beves Conway sa? an einem gro?en Schreibtisch und blatterte gemachlich in einem Bundel Papiere. Ein Becher mit einem hei?en Getrank dampfte neben seinem Ellenbogen, und im Schein der schwingenden Lampe sah Bolitho, da? er bereits korrekt angekleidet war: sauberes wei?es Hemd, Kniehose; und sein blauer Uniformrock mit den wei?en Aufschlagen lag sauber gefaltet auf einer Sitzbank, Dreispitz und Bootsmantel daneben. Nichts in der Erscheinung oder im Gesicht dieses Mannes deutete darauf hin, da? er eben von Deck kam, wo ein bitterkalter Wind wehte.

Er blickte auf und musterte Bolitho mit ausdrucklosem Gesicht.

«Name?»

«Bolitho, Sir. «In der geraumigen Kajute kam ihm der Klang seiner eigenen Stimme ganz fremd vor.

«Gut.»

Der Kapitan wandte sich halb zu seinem Schreiber um, der durch eine andere kleine Tur eintrat. Im Licht der Lampe und in den schragen Strahlen von den Kajutfenstern her fiel Bolitho auf, wieviel Wachsamkeit und Intelligenz aus Conways Profil sprach; doch seine Augen waren hart und verrieten nichts.

Er sprach kurz, abgehackt, dienstlich zu Scroggs, aber Bolitho konnte nur raten, worum es sich handelte.

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