Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander - Страница 50
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Weston hatte bereits im Signalbuch geblattert und rief aus:»Von Spite: Segel in Sicht im Suden!»
Bolitho wandte sich ihm zu und betrachtete ihn. Weston war jetzt der dienstalteste Fahnrich, und an ihm nagte wohl Pears Rat, Mr. Frowd an seiner Stelle zum kommissarischen Leutnant zu befordern. Der» Rat «eines Kommandanten war so gut wie ein Befehl.
Bolitho hatte beinahe Mitleid mit Weston. Beinahe. Denn er war ungeschlacht, feist, streitsuchtig und wurde einen schlechten Offizier abgeben, wenn er lange genug lebte.
«Gut. Behalten Sie die Spite im Auge. Ich werde dem Kommandanten noch keine Meldung machen.»
Bolitho setzte seinen Spaziergang auf dem Achterdeck fort. Die Luft wirkte frisch, aber wenn man stehen blieb, spurte man die Kraft der Sonne. Bolithos Hemd war klitschna?, und die Schulterwunde schmerzte wie ein Schlangenbi?.
Der Kommandant der Korvette wurde jetzt vermutlich Uberlegungen anstellen und ungeduldig auf des Admirals Entscheidung warten, ob er zur naheren Untersuchung des fremden Schiffes beordert wurde.
Eine halbe Stunde verging. Rauch quoll fettig aus dem Kombusenschornstein, und Molesworth, der Zahlmeister, erschien mit seinem Assistenten auf dem Weg zur Proviantlast, um die tagliche Ration Rum oder Branntwein auszugeben.
Ein paar Marineinfanteristen, die auf der Back die Abwehr von Enterern geubt hatten, marschierten nach achtern und gaben ihre Lanzen wieder ab. Es war auch ein kleines Kontingent vom Flaggschiff dabei, das die Lucken auffullen sollte, bis regularer Ersatz eintraf. Bolitho dachte an all die kleinen Erdhugel auf der Insel. Wen interessierten sie jetzt noch?
Weston rief:»Von der Spite, Sir: „Voriges Signal gestrichenen"
Wahrscheinlich also ein Hollander auf erlaubter Fahrt, jedenfalls war Cunningham beruhigt. Moglicherweise war das fremde Fahrzeug auch mit au?erster Kraft gefluchtet, sowie es die Bramsegel der Spite gesichtet hatte. Mi?trauen machte sich in diesen Tagen bezahlt.
Stockdale kam uber das Achterdeck auf seinem Weg zur Steuerbordbatterie. Im Vorbeigehen flusterte er Bolitho zu:»Der Admiral,
Sir.»
Bolitho straffte sich und wandte sich um, als Coutts aus dem Schatten in das grelle Sonnenlicht trat. Er legte die Hand an den Hut und fragte sich, ob Weston ihn absichtlich nicht gewarnt hatte.
Coutts lachelte unbekummert.»Guten Morgen, Bolitho. Noch immer auf Wache, wie ich sehe. «Er hatte eine angenehme, ruhige Stimme, ohne jedes Pathos.
Bolitho erwiderte:»Nur noch wenige Augenblicke, Sir.»
Coutts nahm ein Glas und studierte mehrere Minuten lang die weit entfernte Spite. »Guter Mann, Cunningham. Wird mit etwas Gluck bald Kapitan werden.»
Bolitho sagte nichts, dachte aber an Cunninghams Jugend, an sein» Gluck«. Mit Coutts Segen wurde er Kapitan werden, und wenn der Krieg andauerte, dann war er wahrscheinlich in drei we i-teren Jahren Flaggoffizier, sicher vor Degradierung und unaufhaltsam auf dem Weg nach oben.
«Ich kann Ihre Gedanken beinahe horen, Bolitho. «Coutts reichte Westen das Glas, ohne sich umzudrehen. Wieder war die Bewegung beilaufig, aber genau berechnet.»Gramen Sie sich nicht. Wenn Sie an der Reihe sind, werden Sie entdecken, da? eines Kapitans Leben nicht nur aus Bordeaux und Prisengeld besteht. «Einen Augenblick lang wurde sein Blick hart.»Aber eine Chance bietet sich immer, allerdings nur denen, die etwas wagen und Befehlsausfuhrung nicht als Ersatz fur Eigeninitiative gelten lassen.»
Bolitho sagte:»Ja, Sir.»
Er wu?te nicht, was Coutts damit andeuten wollte. Da? fur ihn Hoffnung bestand? Oder wollte er damit lediglich seine Gefuhle Pears gegenuber zum Ausdruck bringen?
Coutts zuckte mit den Schultern und fugte hinzu:»Essen Sie heute abend mit mir zusammen. Ackerman wird noch ein paar andere einladen.»
Wieder spurte Bolitho die jugendliche Frische und Harte in Coutts Stimme.
«In meinen Raumen naturlich. Ich bin sicher, da? der Kommandant nichts dagegen haben wird.»
Er schlenderte von dannen und nickte Sambell und Weston im Vorbeigehen zu, als seien sie Bauerntolpel auf dem Dorfanger.
Die neue Wache sammelte sich bereits auf dem oberen Batteriedeck, und Bolitho wu?te, da? Dalyell ihn gleich ablosen wurde. Im Gegensatz zu George Probyn kam er nie zu spat.
Bolitho war verwirrt von dem Gehorten. Er fuhlte sich geehrt durch Coutts Interesse, das ihn aber gleichzeitig beunruhigte; es kam ihm vor wie Treulosigkeit Pears gegenuber. Er lachelte uber seine Verwirrung. Pears mochte ihn moglicherweise gar nicht, weshalb also die Skrupel?
Dalyell erschien, blinzelnd im grellen Sonnenlicht. An seinem Rock hingen noch ein paar Krumel.»Wache ist angetreten, Sir.«»Danke, Mr. Dalyell.»
Sie blinzelten sich vergnugt zu, ihre Frohlichkeit vor den Leuten hinter einer Maske von Formlichkeit verbergend.
Quinn hatte die beiden von der Backbordtreppe aus beobachtet, wahrend sie das ubliche Gewuhl bei der Wachablosung beaufsichtigten. Die Sehnsucht, seinen Schmerz endlich zu meistern, uberkam ihn mit Macht. Bolitho hatte es nach seiner Verwundung geschafft oder zumindest die Erinnerung daran aus seinem Gedachtnis gestrichen, wahrend er selbst noch jeden Schritt, jede Bewegung sorgfaltig berechnen mu?te. Er sagte sich standig, da? sein fur einen Augenblick aufwallender Mut kein Zufall ge wesen war, da? er zwar einmal versagt, aber dann gekampft hatte, um den Fehler wiedergutzumachen. Doch er spurte, da? die Besatzung ihn beobachtete, sein Selbstvertrauen abschatzte. Dies war auch der Grund, weshalb er an der Treppe auf Bolitho wartete, bevor er zum Essen ging. Bolitho war sein Halt, seine einzige Chance, wenn es uberhaupt noch eine fur ihn gab.
Dieser nickte ihm zu.»Noch nicht hungrig, James? Man hat mir erzahlt, wir bekamen heute besonders gutes Rindfleisch, lag erst knapp ein Jahr im Fa?!«Er legte Quinn die Hand auf die Schulter.»Finde dich damit ab, James.»
Als Quinn ihn ansah und den plotzlichen Ernst in Bolithos Augen bemerkte, wu?te er, da? diese Worte nichts mit dem Essen zu tun hatten.
Die Rahen waren gebra?t, und die gewaltige Flache der Segel fullte sich knallend. Die Trojan lag auf ihrem neuen Kurs.
Bolitho blickte Cairns an und tippte an seinen Hut.»Kurs liegt an, Sir.»
Cairns nickte.»Schicken Sie bitte die Freiwache unter Deck.»
Als die Seeleute, so schnell sie konnten, verschwanden, warf Bo-litho rasch einen Blick auf Pears, der mit dem Admiral zusammen auf der Luvseite des Achterdecks stand.
Es war einer jener feurigen Sonnenuntergange dieser Breiten. Die beiden Manner hoben sich als Silhouetten gegen den blutroten Himmel ab, ihre Gesichter lagen im Schatten. Es war kein Irrtum moglich, man spurte Coutts Gereiztheit, Pears verbissenen Eigensinn.
Das vergnugte Abendessen in der gro?en Kajute schien schon weit zuruckzuliegen. Coutts hatte den gro?ten Teil der Unterhaltung mit Witz und guter Laune bestritten, Pausen gab es nur, wenn die Glaser nachgefullt wurden. Er hatte die Leutnants in seinen Bann geschlagen — mit Geschichten uber Intrigen und Korruption bei der Militarregierung in New York, uber die gro?en, alten Londoner Hauser, deren Herren — und noch ofter Damen — , in ihren Handen die Zugel der Macht hielten.
Als erst einmal Pears und der Master ihre navigatorischen Berechnungen beendet hatten, war der Zweck der Fahrt und der Zielort wie ein Lauffeuer durch die Decks gegangen.
Es war also eine kleine Insel in einer ganzen Inselgruppe, die in der Monapassage zwischen Santo Domingo und Puerto Rico lag. Von den meisten wegen der schwierigen Navigation gemieden, war sie ein idealer Umschlagsort fur Waffen und Munition, bestimmt fur Washingtons wachsende Flotte von Versorgungsschiffen.
Als Coutts seine Hoffnung auf eine rasche Beendigung ihrer Mission begrundet hatte, spurten Bolitho und die anderen seinen Eifer, seine Erregung bei der Aussicht auf einen schnellen Sieg. Diesmal sollte ihm niemand mit einer Warnung zuvorkommen, kein noch so schneller Reiter konnte die Nachricht vom Nahen der Briten ubermitteln. Diesmal nicht. Mit der Breite des Atlantik in ihrem Ruk-ken, der scharfaugigen Spite vor ihnen, hatte Coutts guten Grund zur Zuversicht.
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