Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander - Страница 26
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Er schuttelte seine truben Gedanken ab. Wichtig war nur das unmittelbare Vorhaben: Wasser. Nur das brauchte er, um nach Madras zu kommen. Was dann kam, war eine andere Sache, die warten konnte.
«Das ist alles, meine Herren!«Er merkte, da? er scharfer gesprochen hatte, als in seiner Absicht lag, und fugte hinzu:»Wir haben ein gutes Schiff, eines der modernsten und seetuchtigsten Fahrzeuge, das je gebaut wurde. Wir konnen es mit jedem Schiff aufnehmen, es sei denn mit einem Linienschiff. «Herrick sah ihn bei diesen Worten lachelnd an, und die gemeinsame Erinnerung schlo? die Kluft zwischen ihnen. Er machte eine kleine Pause und sprach dann weiter:»Und auch dabei gibt es seltene, allerdings nicht empfehlenswerte Ausnahmen. Aber ohne Trinkwasser sind wir Kruppel ohne die Kraft und den Schwung, einem neuen Tag ins Auge zu sehen. Denken Sie an meine Worte: Seien Sie wachsam! Im Augenblick ist das alles, was ich von Ihnen will.»
Sie verlie?en die Kajute, und er blieb mit Puigserver und Raymond allein. Raymond blickte hoffnungsvoll den Spanier an, doch als dieser keine Anstalten machte, seinen ublichen Abendspaziergang an Deck anzutreten, verlie? er die Kajute.
Bolitho setzte sich ans Fenster und betrachtete das Mondlicht, das auf dem schaumenden Kielwasser der Undine spielte.
«Was stimmt nicht mit ihm, Senor!«Merkwurdig, wie leicht man mit Puigserver reden konnte. Noch vor einem knappen Jahr war er ein Feind gewesen, einer, den Bolitho im Gefecht getotet hatte, es sei denn, er hatte sich ergeben. Oder umgekehrt. Puigserver war ein kraftvoller Mann, soviel stand fest, und lie? sich nicht in die Karten sehen. Aber Bolitho vertraute ihm. Der gro?te Teil der Mannschaft hatte ihn ebenfalls akzeptiert — wie Allday, der es schon lange aufgegeben hatte, sich um die richtige Aussprache seines Namens zu bemuhen; sie nannten ihn Mr. Pigsliver,[12] aber es klang beinahe wohlwollend.
Puigserver musterte ihn amusiert.»Mein lieber Capitan, Raymond ist wie ein Wachhund. Er hat Angst wegen seiner Frau — nicht so sehr, da? andere ihr etwas tun, sondern davor, was sie selbst tun wird. «Ein tiefes Lachen stieg aus seinem Bauch empor.»Sie selbst, glaube ich, bekommt allmahlich Spa? an diesem Spiel und wei? ganz genau, da? jeder Mann an Bord sie mit hei?en Augen ansieht. Sie steht stolz wie eine Tigerin da.»
«Sie scheinen ja eine ganze Menge uber sie zu wissen, Senor.»
Das Lacheln wurde noch breiter.»Von Schiffen verstehen Sie sehr viel, Capitan. Aber uber Frauen haben Sie zum Unterschied von mir noch eine Menge zu lernen, furchte ich.»
Bolitho wollte protestieren, lie? es aber lieber. Die Erinnerung war noch zu frisch und schmerzhaft, als da? er Puigservers Behauptung hatte bestreiten konnen.
VI Unternehmen zu Lande
Gespannt blickten sie auf die Kuste, die im Morgenlicht zunehmend Farbe und Kontur gewann.»Na, Thomas — was meinen Sie dazu, so aus der Nahe?«fragte Bolitho verhalten. Sie hatten sich dem Land seit Sonnenaufgang vorsichtig genahert. Jetzt lag es vor ihnen — ein endloses Panorama in vielerlei Gruntonen.
Mit zwei erfahrenen Matrosen auf dem Wasserstag, die unablassig loteten, und mit so wenig Leinwand wie moglich tastete sich die Undine auf diese unberuhrte Welt zu: so dicht wuchs der Dschungel, da? man meinte, weder Mensch noch Tier vermochten von der Kuste aus ins Innere vorzudringen.
«Der Steuermann scheint zufrieden, Sir«, entgegnete Herrick gelassen und richtete sein Fernrohr auf die Kuste.»Alles sieht so aus, wie er es beschrieben hat: im Norden ein rundes Kap und etwa eine Meile landeinwarts dieser seltsam aussehende Berg.»
Bolitho stieg auf einen Poller und spahte hinuber. Die Undine hatte schlie?lich etwa vier Kabellangen[13] vor dem Strand Anker geworfen, um auch bei Niedrigwasser genugend Seeraum und Tiefe zu haben. Immerhin sah es ziemlich flach aus; er konnte sogar den machtigen Schatten erkennen, den der kupferbeschlagene Rumpf der Undine am Meeresgrund warf. Heller Sand auch hier wie in den zahlreichen, weitgeschwungenen Buchten, die sie bei ihrer vorsichtigen Annaherung gesehen hatten.
Lange Fahnen fremdartigen Seegrases wiegten sich in der Stromung wie in einem muden Tanz. Aber wenn das Schiff an seiner Ankerkette nach Backbord schwojte, sah Bolitho andere Gebilde — braun und grun, wie Flecken im Wasser: Riffe. Mudge hatte mit seiner Vorsicht durchaus recht gehabt. Und nach dem Schiffbruch der Nervion fand man sie an Bord auch ganz selbstverstandlich.
Langsseits waren die ersten Boote bereits ausgebracht, und Shellabeer, der Bootsmann, schimpfte fausteschuttelnd mit einigen spanischen Matrosen, die eines davon lenzten. Es wurde fur die ausgetrockneten Fahrzeuge gut sein, wieder ins Wasser zu kommen, dachte Bolitho.
Beilaufig sagte er:»Ich gehe mit an Land; passen Sie hier gut auf. «Er konnte Herricks unausgesprochenen Protest spuren und sprach deshalb rasch weiter:»Wenn an Land etwas schiefgeht, wird es ganz gut sein, wenn ich mit dabei bin. «Er wandte sich um und klopfte Herrick auf die Schulter.»Au?erdem habe ich das Bedurfnis, mir die Beine zu vertreten. Das ist mein Privileg als Kapitan.»
Auf dem Geschutzdeck schritt Davy bereits auf und ab, musterte die Bootsmannschaften, sah die Waffen nach und kontrollierte das Geschirr fur das Verladen der Wasserfasser. Der Himmel uber ihnen war bleich, wie von der Sonne zerkocht, und alle Farben beschrankten sich auf den glitzernden Kustenstreifen. Die Ruhe uber diesem Landstrich beeindruckte Bolitho stark. Nur hier und da rollte eine Welle wie ein wei?es Schaumkollier auf den Strand, bis an den Fu? der Dunen. Es war, als hielte das Land den Atem an; Bolitho konnte sich vorstellen, da? tausend Augen, zwischen den Baumen versteckt, die vor Anker liegende Fregatte belauerten. Mit dumpfem Ton setzten die Drehgeschutze, von Bord abgefiert, auf dem Bug von Barkasse und Kutter auf, wahrend die Standmusketen mit ihren trichterformigen Mundungen in Gig und Pinasse untergebracht wurden. Die Jolle war zu klein fur die gro?en Wasserbehalter und sollte auch fur den Notfall reserviert werden.
Bolitho rieb sich das Kinn und starrte auf die Kuste. Notfall? Alles wirkte doch so ruhig. Wahrend sie aufs Land zugeschlichen waren, an zahlreichen Buchten vorbei, die eine wie die andere aussahen (nur Mudge konnte sie allenfalls unterscheiden), hatte er unbewu?t auf ein Anzeichen, eine Andeutung von Gefahr gewartet. Aber nirgends lag ein Boot auf dem Sand, nirgends stieg Rauch von einem Feuer empor, nicht einmal der Ruf eines Vogels hatte die Stille unterbrochen.
«Boote klar, Sir!«meldete Shellabeer und wandte dabei sein fleischiges Gesicht von der blendenden Sonne ab.
Bolitho trat zur Reling und schaute hinunter auf das Geschutzdeck. Die Matrosen schienen sich verandert zu haben — vielleicht wegen der Entermesser an ihren Gurteln oder weil sie uber dem Tatendurst vorubergehend den wirklichen Durst verga?en. Die meisten hatten sich uberhaupt sehr verandert, seit sie an Bord waren. Ihre nackten Rucken waren von der Sonne tief gebraunt; hier und da verriet eine Brandnarbe, da? der Mann unvorsichtig oder einfach dumm gewesen war.
«Da druben liegt Afrika, Jungs!«rief Bolitho. Ein Raunen der Erregung ging durch die Reihen wie Wind durch ein Kornfeld.»Ihr werdet dergleichen noch oft sehen, ehe wir wieder auf Heimatkurs gehen. Tut, was euch befohlen wird, bleibt bei eurer Abteilung, dann kann euch nichts passieren. «Und in scharferem Ton:»Aber es ist ein gefahrlicher Kustenstrich, und die Eingeborenen haben wenig Veranlassung, fremden Seeleuten zu trauen. Also pa?t gut auf und beeilt euch mit dem Wasserfassen!«Er nickte ihnen zu.»Und jetzt in die Boote!»
12
= Schweineleber (der Ubersetzer).
13
= Kabellange = 0,1 Seemeile = 185,3 m (der Ubersetzer).
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