Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander - Страница 4
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Zufrieden grinste Herrick und stampfte mit seinen kalten Fu?en auf den nassen Deckplanken. In dem Monat seit seiner Anmusterung hatte es eine Menge Arbeit gegeben. Andere mochten uber das schlechte Wetter, die Unsicherheit der langen Reise, uber die Strapazen in See und Wind fluchen — er nicht. Im vergangenen Jahr hatte er erheblich mehr Plage und Muhe gehabt; und er war froh, wieder an Bord eines Kriegsschiffes zu sein. Schon mit knapp zwolf Jahren war er in die Marine eingetreten; und in diesen letzten langen Monaten nach der Unterzeichnung des Friedens mit Frankreich und der Anerkennung der Unabhangigkeit Amerikas hatte er zum erstenmal erfahren, was es hei?t, der einzigen Lebensform, die er verstand und mit der er vertraut war, nicht mehr anzugehoren.
Anders als viele seiner Kameraden mu?te Herrick von dem leben, was er verdiente. Er kam aus einer armen Familie; sein
Vater war Schreiber in Rochester, seiner Heimatstadt. Als er von der Phalarope abmusterte, sich von Bolitho verabschiedete und wieder nach Rochester kam, war es noch schlimmer gewesen, als er erwartet hatte. Die Gesundheit seines Vaters war ruiniert, er schien sich zu Tode zu husten. Herricks einzige Schwester war gelahmt und konnte ihrer Mutter kaum im Haus helfen; und somit sah die Familie seine Ruckkehr mit anderen Augen als er, der sich wie ein Ausgesto?ener vorkam. Uber den Prinzipal seines Vaters hatte er eine Heuer als Maat auf einer kleinen Brigg bekommen, die ihr Geld mit Stuckgutfracht langs der Ostkuste und gelegentlich auch einmal uber den Kanal nach Holland verdiente. Der Schiffseigner war ein Geizhals, der mit einer so kleinen Mannschaft fuhr, da? das Schiff kaum bedient werden konnte, vom Be- und Entladen und von Reparaturen ganz zu schweigen. Als er Bolithos Brief bekam, dem der Befehl der Admiralitat beilag, sich an Bord der Undine zu melden, war er so erschuttert gewesen, da? er sein Gluck kaum fassen konnte. Seit dem letzten Besuch in Falmouth hatte er Bolitho nicht mehr gesehen; vielleicht hatte er sogar im tiefsten Innern gefurchtet, da? ihre Freundschaft, die in Kanonendonner und Sturm geboren und gewachsen war, die Friedenszeit nicht uberleben wurde. Schlie?lich lagen ihre beiden Welten zu weit auseinander. Das gro?e steinerne Haus war ihm wie ein Palast vorgekommen. In Bolithos Familie waren fast alle Manner Seeoffiziere gewesen; und das stellte ihn auf eine ganze andere Ebene als Herrick, der in seiner Familie als erster zur See ging — aber es gab noch bedeutendere Unterschiede zwischen ihnen.
Bolitho hatte sich nicht verandert. Das hatte Herrick auf den ersten Blick gemerkt, als sie sich vor einem Monat auf eben diesem Achterdeck wiedergesehen hatten. Sie war noch da, die leise Melancholie, die jedoch blitzschnell in jugendliche Erregung umschlagen konnte. Und vor allem war Bolitho selbst froh, wieder an Bord zu sein; er freute sich darauf, sein neues Schiff und auch sich auf die Probe zu stellen, sobald sich Gelegenheit dazu bieten wurde.
Ein Midshipman[3] kam uber das Deck gerannt, fa?te vorschriftsma?ig an seinen Hut und meldete:»Kutter kommt zuruck, Sir.»
Er war ein kleiner Kerl und erst seit etwa drei Wochen an Bord; er bibberte vor Kalte.
«Danke, Mr. Penn. Hoffentlich mit ein paar neue Matrosen.»
Er sah den Jungen mi?billigend an.
«Bringen Sie Ihre Uniform in Ordnung. Der Captain kommt vielleicht heute zuruck. «Dann ging er wieder auf und ab. Funf Tage lang war Bolitho nun schon in London. Herrick freute sich auf die Neuigkeiten, die er mitbringen wurde, besonders auf die Segelorder, damit sie endlich aus dem scheu?lichen Solent herauskamen. Er beobachtete den Kutter, der sich schwer stampfend durch die wei?en Wellenkamme arbeitete. Trotz der Bemuhungen des Bootsfuhrers handhabten die Bootsgasten die Riemen ziemlich ungeschickt. Er konnte den Dreispitz des Dritten Leutnants John Soames in der Achterplicht erkennen — ob der wohl Gluck gehabt hatte und Rekruten mitbrachte?
Herrick hatte an Bord der Phalarope als Dritter angefangen und war zu Bolithos Stellvertreter aufgestiegen, nachdem der Erste und der Zweite Leutnant im Gefecht den Tod gefunden hatten. Die Frage ging ihm durch den Sinn, ob Soames sich schon uber seine eigene Beforderung in den kommenden Monaten Gedanken machte. Soames war ein Riesenkerl und stand im drei?igsten Lebensjahr, war drei Jahre alter als Herrick. Er war erst sehr spat Leutnant geworden, und zwar auf allerlei Umwegen uber den Dienst in der Handelsflotte und spater als Steuermannsmaat in der Kriegsmarine. Was er wu?te, hatte er sich selbst beigebracht: ein Mensch, der nicht kleinzukriegen war, aus dem man aber auch nicht klug wurde. Herrick traute ihm nicht recht.
Ganz anders war der Zweite, Villiers Davy. Wie schon der Name vermuten lie?, war er von Familie; Geld und stolze Haltung gaben seinem quecksilbrigen Witz den notigen Ruckhalt. Auch ihm traute Herrick nicht so ganz; aber er hielt sich immer wieder vor Augen, da? seine Abneigung auf Davys Ahnlichkeit mit einem arroganten Midshipman der Phalarope beruhen mochte.
Herrick drehte sich um, weil er Schritte hinter sich horte: ein machtiges Kassenbuch unter dem Mantel, kam Zahlmeister Triphook durch den stromenden Regen geschlurft.
«Ein schlimmer Tag, Mr. Herrick«, brummte er mi?mutig. Er deutete auf die Boote und fuhr fort:»Hol der Teufel diese Gauner. Die wurden noch einen Blinden bestehlen, das wurden sie.»
Herrick grinste.»Ihr Zahlmeister tut so was nicht, wie?«Triphook blickte ihn ernsthaft an. Er war sehr dunn, hielt sich krumm und hatte lange gelbe Pferdezahne.
«Ich hoffe, Sie haben das nicht ernst gemeint, Sir.»
Herrick beugte sich uber die triefenden Finknetze,[4] um einen Blick in den Kutter zu werfen, der eben langsseits festmachte. Du lieber Gott, was fur sauma?iges Rudern! Bolitho wurde etwas Besseres sehen wollen, und das bald.
«Regen Sie sich nicht auf, Mr. Triphook«, erwiderte er kurz.»Ich wollte Ihnen blo? einen Tip geben. An Bord meines vorigen Schiffes hatten wir einen Zahlmeister — Evans hie? er — , der verschob den Proviant. Lie? verdorbenes Fleisch liefern und steckte die Preisdifferenz ein — es ging damals ziemlich drunter und druber. Aber es kam rechtzeitig raus.»
Triphook sah ihn unsicher an.»Und?»
«Captain Bolitho lie? ihn auf eigene Kosten frisches Fleisch kaufen. Fa? fur Fa? — ein frisches Fa? fur jedes schlechte. «Er grinste wieder.»Also lassen Sie sich warnen, mein Freund!»
«Bei mir wird der Captain nichts zu beanstanden haben, Mr. Herrick. «Im Weggehen sagte er noch:
«Darauf konnen Sie sich verlassen!«Aber es klang nicht sehr uberzeugend.
Leutnant Soames kam aufs Achterdeck, fa?te an den Hut und meldete mit einem angewiderten Blick auf die nassen Planken:»Funf Mann, Sir. Ich war den ganzen Tag unterwegs und bin total heiser vom Vorlesen dieser Flugblatter.»
Herrick nickte mitfuhlend. Er hatte das oft genug selbst machen mussen. Funf Mann. Sie brauchten immer noch drei?ig. Und selbst dann hatten sie keine Reserve fur Todesfalle und Verwundungen, mit denen man schlie?lich bei jeder langen Reise rechnen mu?te.
Murrisch fragte Soames:»Was Neues?»
«Nein. Nur, da? wir nach Madras segeln. Aber ich denke, es geht bald los.»
«Je eher wir von Land weg sind, um so besser. Die Stra?en sind voller Besoffener, prima Seeleute, die wir gut gebrauchen konnten. «Zogernd fuhr er fort:»Wenn Sie nichts dagegen haben, konnte ich heute nacht mit einem Boot losfahren und ein paar davon schnappen, wenn sie aus ihren verdammten Bierkneipen getorkelt kommen.»
Sie fuhren herum. Kreischendes Gelachter erklang vom Geschutzdeck, und eine Frau, die blo?en Bruste dem Regen preisgegeben, kam backbords unter dem Decksgang hervorgerannt. Zwei Matrosen waren hinter ihr her, beide offensichtlich angetrunken; man brauchte nicht lange daruber nachzudenken, was sie von ihr wollten.
3
Seekadett, bzw. Fahnrich zur See (der Ubersetzer).
4
Hangemattskasten im Schanzkleid des Oberdecks (der Ubersetzer).
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