Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander - Страница 75
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«Von denen kommt keiner lebend davon«, schrie Ashby.»Bei Gott, Sir, dieser Mann mu? verruckt sein!»
Bolitho trieb sein Pferd auf die Brucke zu.»Das ist pure Wut, Hauptmann Ashby. Wei? Gott, ich kann ihn verstehen!»
Im Hafen herrschte hektisches Getriebe. An der Pier lagen Boote aller Art und Gro?e; pausenlos schleppten bezopfte Matrosen Frauen und Kinder die Stra?en hinunter und ubergaben sie ihren Kameraden in den Booten, so selbstverstandlich und geschickt, als hatten sie jahrelang nichts anderes getan.
Uberall ertonten Rufe und Schreie. Matrosen und Seesoldaten stritten sich mit einigen Burgern herum, die anscheinend fest entschlossen waren, so viel an Mobeln und Gepack mitzunehmen, wie die Boote irgend tragen konnten. Da verhandelte ein Unteroffizier mit einer alten Frau, die mit einem Kalb am Strick dastand und es nicht loslassen wollte. Leutnant Inch schob sich durch das Gewimmel und fa?te gru?end an den Hut.»Die Verwundeten sind an Bord, Sir. «Er mu?te schreien, um das Stimmengewirr zu ubertonen.»Dies hier sind die letzten Stadtbewohner, die weg wollen.»
Bolitho nickte.»Und die anderen?»
«Tauchen hochstwahrscheinlich unter, Sir. «Er zuckte zusammen, denn eine dumpfe Explosion erschutterte die Gebaude oberhalb des Kais.»Was war denn das?»
«Die Brucke. «Bolitho schritt zum Wasser und sah den stromabwarts fahrenden Booten nach.
Ein Leutnant trat herzu und meldete:»Die Harvester hat die, ah, Straflinge an Land gebracht, Sir.»
«Gut. «Bolitho loste den Blick von den hastenden, verzweifelten, plotzlich der Unsicherheit der Flucht preisgegebenen Menschen.»Ich komme gleich und spreche zu ihnen.»
Die Straflinge waren in einem niedrigen Schuppen zusammengepfercht. Bolitho erkannte Captain Poole vom Transporter Erebus, der kopfschuttelnd diesen Haufen zusatzlicher Passagiere betrachtete.
«Sind alle bereit?«fragte Bolitho.
Poole grinste.»Mein Schiff sieht vielleicht aus, Captain. Man findet kaum einen Belegnagel vor lauter Menschen. «Da er bemerkte, da? sich die Falten in Bolithos Gesicht vertieften, fuhr er zuversichtlich fort:»Aber keine Angst, ich bringe sie schon alle von hier weg.»
Bolitho stieg auf eine Kiste und schaute in die gespannten Gesichter. Selbst im schwachen Laternenschein konnte er feststellen, da? die meisten Straflinge jetzt gesunder aussahen als beim letzten Mal. Wie lange war das her? Tatsachlich erst vier Monate?
Er begann zu sprechen.»Ihr geht jetzt auf die Erebus, ohne Wachen und Handschellen. «Durch die dichtgedrangten Gestalten fuhr ein Schauer der Erregung.»Captain Poole hat schriftliche Order von Admiral Pomfret, die er dem Standortkommandanten in Gibraltar uberreichen wird. «Wie leicht ihm die Luge von den Lippen kam! Die Order war zwar mit Pomfrets Petschaft gesiegelt, aber unterschrieben hatte Bolitho selbst.»Ich bin uberzeugt, da? vielen von euch Straferla? gewahrt wird; obwohl manche vielleicht mit dem nachsten Konvoi nach Neu-Holland segeln wollen, um sich in einem neuen Land ein neues Leben aufzubauen. «Fast ubermannte ihn die Erschopfung, aber er fuhr fort:»Ihr habt euch anstandig verhalten und nicht wenig Mut gezeigt. Das ist zumindest eine Belohnung wert.»
Er wandte sich zum Gehen, doch da ertonte eine Stimme:»Augenblick, Captain!«Als er sich ihnen wieder zuwandte, starrten sie ihn alle an. Ihre Augen glitzerten im Lampenschein. Und wieder die Stimme:»Wir wissen, was Sie fur uns getan haben, Captain.
Nicht wahr, Jungs?«Zustimmendes Gemurmel.»Manche Leute hatten uns auf Cozar verfaulen lassen, aber Sie haben uns da we g-geholt. Wir mochten Ihnen blo? sagen, da? Sie uns mehr gegeben haben als die Hoffnung auf Freiheit: unsere Selbstachtung!»
Noch halb geblendet schritt Bolitho in die Dunkelheit hinaus, und ihr Hurrageschrei verebbte hinter ihm. Poole grinste unverhohlen und sagte irgend etwas, aber seine Worte gingen im Larm unter.
Dann sah Bolitho Midshipman Seton an der Pier stehen. Seine eine Hand war verbunden; mit der anderen hielt er ein erschopftes Pferd beim Zugel.»Darf ich wieder an Bord, Sir?«fragte der Junge.
«Gott sei Dank, da? Sie in Sicherheit sind«, sagte Bolitho und fa?te ihn bei der Schulter.»Ich habe Sie den ganzen Nachmittag gesucht.»
Seton blickte verlegen drein.»Ich hatte mich verirrt, Sir. Das Pferd ist mir durchgegangen, und ich brauchte zwei Tage, um durch die feindlichen Linien zu kommen.»
Bolitho lachelte mude.»Mr. Piper wird sich freuen, da? Sie wieder da sind. Er dachte sich schon, da? Sie irgendwelche Dummheiten angestellt haben.»
Er sah sich um. Die Straflinge stromten die Stufen hinunter zu den eben angekommenen Booten.»Bleiben Sie erst mal hier und helfen Sie diesen Leuten, Mr. Seton. Wenn alle verladen sind, konnen Sie ins Admiralshauptquartier kommen. Ich werde dort sein.»
«Ist es vorbei, Sir?«fragte der Midshipman.
«So ziemlich«, erwiderte Bolitho; doch seine Worte hatten etwas Endgultiges.»Morgen fruh bei Sonnenaufgang holen wir die letzten Soldaten an Bord. «Er zuckte die Achseln.»An diesen Tag werden Sie wahrscheinlich noch lange denken.»
Mit plotzlichem Ernst nickte Seton.»Ich habe mit meiner Schwester gesprochen, bevor sie an Bord ging, Sir. Sie hat mir alles erzahlt. «Verlegen trat er von einem Fu? auf den anderen.»A-alles, was passiert ist, S-Sir.»
Bolitho sah, da? Ashby schon bei den Pferden wartete, und entgegnete leise:»Aber Mr. Seton, Sie stottern ja schon wieder!«Damit ging er, und der Junge starrte ihm nach.
Der Marktplatz vor Pomfrets Hauptquartier war leer bis auf ein paar Marine-Infanteristen und einen stobernden Hund. Das feindliche Bombardement hatte aufgehort, und tiefe Stille lag uber der zerschlagenen Stadt, als hielte sie den Atem an vor dem kommenden Tageslicht und dem letzten Akt der Tragodie.
Bolitho trat ins Haus und fand das getafelte Arbeitszimmer verlassen; die Karte lag neben Pomfrets Schreibtisch am Boden. Als er sich in einen Sessel fallen lie?, sah er Allday in der offenen Tur stehen.
«Der Admiral schlaft, Captain. Ich habe ihn saubergemacht. Mr. Fashawe ist oben und pa?t auf. «Dann wurde sein Ton personlicher und bestimmter.»Aber Sie sollten auch ein bi?chen schlafen, Cap-tain. Sie sehen vollig erledigt aus, wenn ich so sagen darf.»
«Sie durfen nicht, Allday. «Aber als Allday sich buckte, um ihm die Stiefel auszuziehen und den Degengurt abzuhaken, lie? er ihn gewahren.
«Ich bringe Ihnen Suppe, Captain, damit Sie was in den Leib kriegen.»
Leise vor sich hin pfeifend ging er davon, und Bolitho lie? den Kopf gegen die Sessellehne sinken. Plotzlich fuhlte er sich vollstandig ausgehohlt. Und es war noch so viel zu tun. Er hatte Cob-ban immer noch nicht gefunden und auch noch nicht die endgultige Zerstorung der wenigen noch intakten Hafeneinrichtungen vorbereitet. Er dachte an Cheneys Gesicht und an den Glanz ihrer Augen beim Abschied. Im ersten Fruhlicht wurden die Transporter auslaufen. Die Kriegsschiffe blieben noch, um die letzte Phase des Ruckzuges zu decken.
Ruckzug. Das Wort traf ihn wie eine Beleidigung. Ein Ruckzug war nicht leicht zu akzeptieren, mochte er auch noch so unvermeidlich sein. Der Kopf sank ihm auf die Brust, Mudigkeit hullte ihn ein wie ein Mantel. Vage horte er noch, da? Allday wiederkam, und spurte eine Decke um seine muden, schmerzenden Schultern. Wie von fern horte er Allday murmeln:»Ganz recht, Captain, schlafen Sie ruhig! Eine Menge Menschen konnen heute ruhig schlafen, blo? weil Sie da waren. Ich hoffe zu Gott, da? sie auch wissen, wer sie gerettet hat.»
Leutnant Herrick stie? sich von der Achterdecksreling ab und rieb sich heftig die Augen. Noch eine Sekunde, und er ware im Stehen eingeschlafen. Das ganze dunkle Schiff schien zu schlafen, tiefe
Stille lag uber dem geschutzten Hafenbecken. Nur ab und zu horte man die scharrenden Schritte eines Wachtpostens und das Stohnen des Windes im Rigg.
Der Himmel hatte sich wahrend der Nacht bewolkt, und Herrick spurte ein paar sanfte Regentropfen auf der Wange, als er langsam zur Kampanjeleiter ging. Die Morgenrote war nicht mehr fern; schon lag ein diffuses Licht wie mattes Zinn uber der Kimmung.
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