Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander - Страница 22
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Wahrend das Schiff im leichten Wind dumpelte und Petch ein sauberes Hemd und die beste Uniform bereitlegte, sah Bolitho sich in seiner Kajute um, dachte an die vielen dramatischen und hoffnungsvollen Szenen, die sich hier abgespielt hatten und in Zukunft noch abspielen mochten. Von hier waren die Kommandanten an Deck gegangen, um im Kampf zu fallen oder uber einen der Dutzend Feinde zu triumphieren, die England hatte. Waren gegangen, um befordert zu werden oder Zeuge beim Vollzug einer Auspeitschung zu sein, um einem Schiff in Not beizustehen oder lediglich, um die voruberziehende Schonheit einer Wolkenformation oder eines Kustenstrichs zu bewundern. Es war merkwurdig, da? dasselbe Schiff, das dem einen Ruhm und Vermogen brachte, fur einen anderen Schande und Untergang bedeutete.
Er zog seine Halsbinde fest und bemerkte, da? Petch ihn besorgt ansah. Wahrscheinlich fragte er sich, ob er am nachsten Tag um diese Zeit nicht schon einem neuen Herrn dienen wurde.
Inch trat ein.»Ihr Boot ist klar, Sir«, meldete er. Nach einer Pause fugte er hinzu:»Der Kommodore hat sich bereits auf die Fregatte ubersetzen lassen.»
Bolitho streckte die Arme aus, um sich in seinen schweren, goldbestickten Uniformrock mit den wei?en Aufschlagen helfen zu lassen: den Rock, den Cheney so bewundert hatte. Es kam wie erwartet. Die beiden vorgesetzten Offiziere wollten sich zuerst ungestort unter vier Augen besprechen, dachte er grimmig.
«Sehr gut, Mr. Inch. Ich bin bereit.»
Er wartete, bis der umstandliche Petch ihm den Sabel umgegurtet hatte, und ging dann schnell zur Tur.
Tiefe Stille lastete uber dem Hauptdeck, als er auf die Schanzpforte zuschritt. Es beruhrte ihn merkwurdig, da? er immer noch so viele Gesichter unter der Besatzung sah, die er nicht kannte oder an die er sich nicht erinnerte. Mit der Zeit hatte er das andern konnen. Er blickte zum Rigg und zu den lose schlagenden Segeln auf. Mit der Zeit hatte noch sehr vieles anders werden konnen.
Die Pfeifen trillerten, und die Marinesoldaten prasentierten ihre Musketen, als er sich von Deck schwang und in das Boot hinunterstieg.
Er sa? steif auf der Heckbank, als die Riemen den Schlag aufnahmen und das Boot zur fernen Fregatte ruderten. Erst jetzt bemerkte er, da? jeder Rudergast sein bestes kariertes Hemd angezogen hatte und da? Allday einen blauen Rock mit Messingknopfen trug, den er noch nicht an ihm gesehen hatte.
Allday hielt die Augen auf die Fregatte gerichtet und sagte mit gedampfter Stimme:»Nur um es ihnen zu zeigen, Captain. Sie sollen alle wissen, was wir empfinden.»
Bolitho packte den Griff seines Sabels und starrte uber die Kopfe der Matrosen hinweg. Er konnte keine Worte finden, wagte nicht, auf Alldays schlichte Demonstration seiner Loyalitat zu antworten.
Der Buggast machte an der Kette fest, und ohne zu warten, bis Allday aufgestanden war, zog Bolitho sich zum Deck der Fregatte hinauf und hob gru?end den Hut zum Achterdeck.
Einen Augenblick blickte er zu dem Schiff hinuber, das er gerade verlassen hatte. Dann reckte er die Schultern und nickte dem jungen Kommandanten der Fregatte fluchtig zu.»Gehen Sie bitte voran.»
Die Achterkajute der Fregatte war niedrig und spartanisch im Vergleich zu der eines Linienschiffes, aber Bolitho fuhlte sich augenblicklich zu Hause. Als er das erste Mal das Kommando einer Fregatte ubernahm, fand er das Quartier, verglichen mit einer kleinen Schaluppe, furstlich, doch als er jetzt unter den niedrigen Decksbalken den Kopf einzog, wurde ihm die Enge wieder bewu?t, die durch die drei Anwesenden noch spurbarer wurde.
Vizeadmiral Sir Manley Cavendish war dunn und grauhaarig, und obwohl seine Haut sonnengebraunt und wettergegerbt war, wirkten seine Wangen eingefallen; unter dem prunkvollen Galarock schien sein Atem schnell und flach zu gehen. Bolitho wu?te, da? er uber sechzig war; die Tatsache, da? Sir Manley in den vergangenen zwei Jahren nur fur wenige Stunden den Fu? auf festes Land gesetzt hatte, konnte kaum zur Starkung seiner offenbar angeschlagenen Gesundheit beigetragen haben. Aber seine Stimme lie? keine Schwache erkennen, und die eng uber einer herrischen Nase stehenden Augen waren so klar und forschend wie die eines Leutnants.
«Zumindest punktlich, Bolitho. «Er lie? sich muhsam in einen Sessel sinken.»Es ist besser, Sie setzen sich alle. Es kann eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, obwohl ich es nicht gewohnt bin, mich zu wiederholen.»
Bolitho nahm einen Sessel und war sich standig der Anwesenheit von Pelham-Martins massiger Erscheinung bewu?t, der an der gegenuberliegenden Wand sa?. Er hielt die rosigen Hande vor seiner Weste gefaltet, als ob er sich in Gegenwart seines Feindes selbst festhalten wolle.
Der dritte Anwesende war ein Flaggleutnant, ein ausdrucksloser junger Mann, der starr in das aufgeschlagen vor ihm liegende Logbuch sah, die Feder wie einen kampfbereiten Degen uber einer leeren Seite erhoben.
Cavendish sagte:»Ich habe die Berichte gelesen und erwogen, was getan werden kann, was getan werden mu?.»
Bolitho sah auf die Feder. Sie verharrte regungslos.
«Ich habe mit Ihrem Kommodore gesprochen und alles gehort, was geschehen ist, sowohl vor als auch nach dem Verlust der Ithuriel.«Er lehnte sich zuruck und sah Bolitho mit steinernem Blick an.»Alles in allem ist es ebenso beklagenswert wie bedrohlich, doch ehe ich mich endgultig entscheide, will ich horen, ob Sie noch irgend etwas zu Ihrer, ah, Einschatzung der Lage hinzuzufugen haben.»
Bolitho wu?te, da? Pelham-Martin ihn scharf fixierte, aber er sah unverwandt Cavendish an.»Nichts, Sir.»
Der Flaggleutnant blickte zum erstenmal auf. Cavendish fragte ruhig:»Keine Entschuldigungen? Keine Schuld, die bei anderen zu suchen ware?»
Bolitho unterdruckte den aufwallenden Arger.»Ich habe gehandelt, wie ich es fur richtig hielt, Sir. Ich trug die Verantwortung, und ich entschied mich fur. «Er hob das Kinn.»Fur das, was ich fur das einzig Mogliche hielt.»
Die Feder kratzte eifrig uber das Papier.
Der Admiral nickte bedachtig.»Wenn Sie geblieben waren und den Kampf aufgenommen hatten, hatten Sie Ihr Schiff und vielleicht sechshundert Menschenleben geopfert. Sie sagen, Sie waren dazu bereit gewesen?«Er verschrankte die Finger und beobachtete Bolitho ein paar Sekunden.»Sie waren aber nicht bereit, das Leben anderer aufs Spiel zu setzen, die fur uns bereits verloren waren, sei es nun durch Versagen oder Nachlassigkeit?»
Bolitho erwiderte:»Dazu war ich nicht bereit, Sir. «Er horte das geschaftige Kratzen der Feder und spurte, wie sich sein Korper zum erstenmal entspannte. Er belastete sich selbst, konnte aber nichts dagegen tun. Nicht, wenn er nicht bereit war, Pelham-Martin zu beschuldigen oder eine Handlung anzuprangern, die jener immer noch fur richtig hielt.
Cavendish seufzte.»Damit ist alles gesagt, was dazu zu sagen war. «Er wendete scharf den Kopf und fixierte Pelham-Martin.»Wunschen Sie, noch eine Erklarung abzugeben?»
«Kapitan Bolitho war aus meinem Befehlsbereich abkommandiert, Sir. «Der Kommodore sprach schnell; in dem grellen Licht, da? durch die Heckfenster fiel, glanzte sein schwei?bedecktes, rundes Gesicht.»Doch ich bin uberzeugt. Das hei?t, ich meine, da? er unter den herrschenden Umstanden so handelte, wie er es fur richtig hielt.»
Cavendish sah seinen Flaggleutnant an. Es war nur ein kurzer Blick, aber Bolitho glaubte, darin Verachtung aufleuchten zu sehen.
Dann begann er:»Ich habe Ihrem Kommodore bereits gesagt, was ich beabsichtige. Aber da Sie unmittelbar betroffen sind, will ich Sie uber den Kern meiner Entschlusse unterrichten. «Er blatterte in den Papieren vor sich und fugte knapp hinzu:»Vier Schiffe sind vor Lorient meinem Geschwader entkommen, wie Ihnen zweifellos bekannt ist. Nun konnen weitere unserer Wachsamkeit entgangen sein. Glauben Sie, da? zwischen ihnen kein Zusammenhang besteht?«Er klopfte mit seiner kleinen, welken Hand auf die Papiere.»Ich habe jede verfugbare Fregatte alarmiert, jeden denkbaren Informanten befragt, doch nirgends war auch nur eine Spur von diesen Schiffen zu entdecken. «Er schlug mit beiden Handen flach auf die Tischplatte.»Keine einzige Spur!»
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