Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander - Страница 50
- Предыдущая
- 50/98
- Следующая
Die Luft stank nach Blut, verschmortem Ol, Bilgewasser und Erbrochenem, und er mu?te sich zusammennehmen, um weiter nach vorn zu gehen. Allday schritt mit einer Laterne vor ihm her, deren Schein immer einige Gesichter anleuchtete und sie dann im Weiterschreiten in der Finsternis zurucklie?, die ihre Schmerzen, ihre Verzweiflung gnadig verbarg.
Wie oft schon hatte er dergleichen gesehen. Weinende, um Vergebung ihrer Sunden betende Manner. Manner, die um die Versicherung bettelten, da? sie vielleicht doch noch nicht sterben mu?ten. Hier waren Sprache und Tonfall anders, aber sonst war es genauso. Er erinnerte sich, wie er als verangstigter Midshipman auf dem AchtzigKanonen-Linienschiff Manxman zum ersten Mal in seinem Leben Manner fallen, sterben und sich nach der Schlacht in Qualen winden gesehen hatte. Er war beschamt gewesen, hatte sich vor sich selbst geekelt, weil er nichts empfinden konnte als uberwaltigende Freude und Erleichterung, da? er noch lebte und unverwundet war und ihm die Folter unter Messer und Sage des Schiffsarztes erspart blieb.
Aber nie hatte er seine Gefuhle ganz unterdrucken konnen. Jetzt zum Beispiel empfand er Mitleid und Hilflosigkeit, etwas, das er ebensowenig bezwingen konnte wie seine Hohenangst.
«Da liegt er, Captain«, horte er Alldays Stimme wie von fern,»da beim Lampenraum.»
Er trat hinter Allday uber zwei flache, mit Leinwandfetzen belegte Stufen. Im Schein der kreisenden Laternen horte er Stohnen, Keuchen und leise, trostende Frauenstimmen. Als er einmal kurz den Kopf wandte, sah er ein paar spanische Bauerinnen, die sich von der schweren Arbeit an den Pumpen ausruhten. Sie waren nackt bis zur Taille; Bruste und Arme glanzten vor Schwei? und Bilgewasser; die verfilzten Haare hingen ihnen in die von Anstrengung gezeichneten Gesichter. Sie dachten gar nicht daran, ihre Blo?e zu bedecken, und schlugen auch nicht die Augen nieder, als er vorbeiging; eine schenkte ihm sogar ein mudes Lacheln.
Bolitho blieb stehen und kniete dann bei Luis Pareja nieder. Man hatte ihm seinen eleganten Anzug ausgezogen, und er lag unter den leise schwankenden Laternen wie ein dickes Kind; doch seine Augen waren reglose, dunkle, schmerzerfullte Locher. Der breite Verband um seine Brust war blutdurchtrankt; in der Mitte glomm ein runder hellerer Fleck im dammerigen Licht wie ein rotliches Auge; und mit jedem Atemzug flo? sein Leben dahin.
Leise sagte Bolitho zu ihm:»Ich bin zu Ihnen gekommen, so schnell ich konnte, Senor Pareja.»
Langsam wandte sich das runde Gesicht ihm zu, und er sah, da? Pa-rejas Kopf nicht, wie er erst gedacht hatte, auf einem Kissen lag, sondern auf einer blutverschmierten Schurze, und diese bedeckte die Knie einer Frau — Parejas Frau, wie er sah, als die Laterne etwas hoher schwang. Ihre dunklen Augen ruhten nicht auf ihrem sterbenden Gatten, sondern starrten unbewegt in die Dunkelheit. Das Haar hing ihr lose und ungeordnet uber Gesicht und Schultern, doch atmete sie ganz regelma?ig, als sei sie vollig unbewegt; aber vielleicht war sie auch nur betaubt von dem Schrecklichen, das sie durchgemacht hatte.
Undeutlich begann Pareja zu sprechen:»Sie haben alle diese Menschen gerettet, Captain. Vor den morderischen Sarazenen. «Er versuchte, die Hand seiner Frau zu ergreifen, aber er hatte nicht mehr die Kraft dazu, und seine Hand fiel auf das blutgetrankte Laken wie ein toter Vogel.»Meine Catherine ist jetzt in Sicherheit. Sie werden dafur sorgen. «Bolitho war zu keiner Antwort fahig, und Pareja stutzte sich muhsam auf einen Ellbogen; er sprach auf einmal wieder ganz klar.
«Sie werden dafur sorgen, Captain? Sie geben mir Ihr Wort — ja?»
Bolitho neigte langsam den Kopf.»Sie haben mein Wort, Senor.»
Er blickte ihr kurz in das uberschattete Gesicht. Catherine hie? sie also; aber sie kam ihm so fern und unwirklich vor wie je. Als Pareja ihren Namen genannt hatte, dachte Bolitho, sie wurde sich etwas lokkern, wurde ihre reservierte, hochmutige Pose aufgeben. Doch sie starrte unbewegt an der Laterne vorbei ins Dunkel, nur ihr Mund glanzte matt im rauchigen Licht.
Ashton stolperte durch das Halbdunkel heran.»Entschuldigung, Sir«, sagte er,»aber wir haben die betrunkenen Matrosen endlich wachgekriegt. Soll ich sie drau?en zum Rapport antreten lassen?»
«Nein«, erwiderte Bolitho kurz.»Stellen Sie sie an die Pumpen. «Es klang so rauh und bose, da? der Midshipman zuruckwich.»Wenn die Weiber sie sehen«, fuhr Bolitho im gleichen Ton fort,»um so besser. Zum Kampfen haben sie nicht getaugt; so konnen sie wenigstens an den Pumpen arbeiten — von mir aus, bis sie umfallen!»
Hinter seinem Rucken warf Allday dem Midshipman einen raschen warnenden Blick zu, und ohne ein weiteres Wort eilte der Knabe hinweg.
Zu Pareja sagte Bolitho:»Ohne Ihre Hilfe hatte ich nichts ausrichten konnen.»
Dann blickte er auf, denn seine Frau sagte tonlos:»Sparen Sie sich Ihre Worte, Captain. Er hat uns verlassen. «Sie streckte die Hand aus und druckte ihrem Gatten die Augen zu.
Die Kerzenflamme in Alldays Laterne flackerte und stand schief gegen das Glas; Bolitho spurte unter seinen Knien, da? das Schiff plotzlich krangte, und dann horte er an Deck das Klappern der Blocke und des losen Geschirrs, als erwache die Navarra aus dem Schlaf.
«Wind, Captain«, flusterte Allday,»endlich Wind!»
Aber Bolitho blieb neben dem Toten. Er versuchte, die rechten Worte zu finden, und wu?te doch, da? es sie nicht gab. Niemals.
Schlie?lich sagte er halblaut:»Senora Pareja, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, dann sagen Sie es mir bitte. Ihr Gatte war ein tapferer Mann. Sehr tapfer sogar. «Er hielt inne und vernahm Meheux' Stimme, der auf der Kampanje seine Befehle brullte. Es gab viel zu tun. Segel mu?ten gesetzt, ein Kurs mu?te abgesteckt werden, damit das Schiff, wenn irgend moglich, wieder zum Geschwader stie?. Er sah auf ihre Hande, die neben Parejas stillem Antlitz in ihrem Scho? ruhten.»Ich schicke Ihnen jemanden zu Hilfe, sobald ich wieder an Deck bin.»
Ihre Stimme klang, als kame sie aus weiter Ferne.»Sie konnen mir nicht helfen. Mein Mann ist tot, und ich bin wieder eine Fremde in seinem Land. Ich besitze nichts als das, was ich auf dem Leibe trage, und ein paar Schmuckstucke. Nicht viel fur das, was ich gelitten habe. «Sanft hob sie Parejas Kopf von ihrem Scho? und lie? ihn auf den Planken ruhen.»Und das verdanke ich Ihnen, Captain. «Sie blickte auf; ihre Augen glitzerten im Laternenschein.»Also gehen Sie, tun Sie weiter Ihre Pflicht und lassen Sie mich in Ruhe!»
Wortlos stand Bolitho auf und ging zur Kampanjeleiter. Drau?en in der frischen Luft stand er minutenlang still, atmete tief und sah in den dunkelgluhenden Sonnenuntergang.
«Horen Sie nicht auf sie, Captain«, sagte Allday.»Ihre Schuld war es nicht. Viele sind gefallen, und bis dieser Krieg aus ist, werden noch eine ganze Menge fallen. «Er verzog das Gesicht.»Sie hat Gluck, da? sie noch lebt — wir alle haben Gluck.»
Meheux kam nach achtern.»Kann ich die Dons anstellen, Sir? Ich dachte, wir setzen Bramsegel und die Fock, damit sie sich wieder steuern la?t. Wenn der Wind zu stark wird, konnen wir immer noch alles bis auf Kluver und Gro?bramsegel reffen. «Er rieb sich gerauschvoll die Hande.»Da? wir wieder Fahrt machen, ist ein reines Wunder!»
«Recht so, Mr. Meheux. «Bolitho trat an die Reling und blickte auf die ersten bleichen Sterne.»Wir werden auf Steuerbordbug gehen und Ostsudost steuern. «Er warf einen Blick auf den Rudergast — fast dachte er, Grindle stande daneben und pa?te auf.»Aber sowie Sie merken, da? der Druck zu stark wird, pfeifen Sie >Alle Mann< und reffen.»
Der Leutnant eilte davon, um die muden Matrosen aufzupurren, und Allday fragte:»Soll ich den Koch suchen gehen, Captain? Ich finde, eine warme Mahlzeit wirkt manchmal Wunder, wenn sonst nichts hilft.»
Er richtete sich starr auf, denn unten an Deck kam Witrand herbei.»Und der da — soll ich ihn in Eisen legen, wie er es verdient?»
- Предыдущая
- 50/98
- Следующая