Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander - Страница 4
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«Alle vollzahlig, Sir«, meldete Herrick
Bolitho blickte auf den Tisch nieder. Im Geiste las er wieder seine Segelorder: Sie werden hiermit bevollmachtigt und beauftragt, mit Ihrem Geschwader und allen Ihnen zur Ve rfugung stehenden Kraften Anwesenheit und Absichten gro?erer feindlicher Einheiten zu erkunden…
Ruhig und eindringlich begann er zu sprechen:»Wie Ihnen bekannt sein wird, hat der Feind eine Menge Zeit daran gewandt, Schwachstellen in unserer Verteidigung aufzuspuren. Abgesehen von unseren Siegen zur See, haben wir wenig erreicht, um das Vordringen und den wachsenden Einflu? Frankreichs zu stoppen. Meiner Ansicht nach ist Bonaparte niemals von seinem ursprunglichen Plan abgewichen, der immer noch und notwendigerweise darin besteht, Indien zu erreichen und unsere Handelswege zu blockieren. Dem franzosischen Admiral Suffren ware das im letzten Kriege beinahe gegluckt. «Bolitho fing Herricks Blick auf; zweifellos dachte er daran, wie sie zusammen in Ostindien gekampft und selbst erlebt hatten, wie erpicht der Feind darauf war, die Gebiete wieder — zu erobern, die er in jenem unstabilen Frieden verloren hatte.»Bonaparte mu? wissen, da? jede Verzogerung seiner Vorbereitungen uns nur Zeit gibt, unsere Krafte zu verstarken«, fuhr Bolitho fort.
Alle Kopfe wandten sich Inch zu, der unbekummert dazwischenrief:»Wir werden's ihnen schon zeigen, Sir! Genau wie damals!«Und er grinste die anderen vergnugt an.
Bolitho mu?te lacheln. Schon, da? Inch, wenn er auch keine Ahnung von den Fakten hatte, immer noch wie fruher war. Und sein munterer Kommentar hatte wenigstens die Distanz zwischen ihm und den Geschwaderoffizieren etwas gemindert.
«Danke, Commander Inch. Ihr Optimismus macht Ihnen Ehre.»
Errotend vor Freude verbeugte sich Inch.
«Dennoch — wir haben keine verla?lichen Nachrichten daruber, in welche Richtung die Franzosen vorsto?en werden. Das Gros unserer Flotte operiert vom Tejo aus, um einen Keil zwischen die Franzosen und ihre spanischen Verbundeten zu treiben. Einerseits konnte der Feind Portugal angreifen, wegen unserer dortigen Prasenz, oder er konnte auch nochmals eine Invasion Irlands versuchen. «Bolitho konnte seine Erbitterung nicht verbergen.»So wie im vorigen Jahr, als in unserer Flotte Zustande herrschten, die zu den gro?en Meutereien bei Spithead und in der Themseflotte fuhrten.«[4]
Farquhar sah auf seine Manschetten nieder:»Sie hatten tausend von diesen Teufeln hangen sollen, nicht blo? 'ne Handvoll!»
Bolitho warf ihm einen kalten Blick zu.»Wenn man vorher etwas mehr an die berechtigten Bedurfnisse der Matrosen gedacht hatte, dann waren vielleicht uberhaupt keine Strafen notig gewesen!»
Farquhar lachelte unbekummert.»Verstehe, was Sie meinen,
Sir.»
Bolitho blickte auf seine durcheinandergeratenen Papiere nieder, um sich nichts anmerken zu lassen. Er hatte gar nicht auf Farquhars Scharfmacherei eingehen sollen.
«Unsere Aufgabe ist zunachst«, fuhr er fort,»zu erkunden, wie die Vorbereitungen der Franzosen im Golfe du Lyon vorangehen. Und zwar in Toulon, Marseille und anderen Hafen, in denen wir
Feindtatigkeit beobachten konnen. «Er blickte jedem einzelnen ins Gesicht.»Unsere Flotte ist weit auseinandergezogen. Auf keinen Fall darf der Feind eine Moglichkeit erhalten, sie so zu zerstreuen, da? er sie Schiff um Schiff vernichten kann. Andererseits ware es sinnlos, eine gro?e Flotte am einen Ende des Ozeans zu stationieren, wahrend der Feind sich am anderen aufhalt. Aufspuren, stellen, in ein Gefecht verwickeln — anders geht es nicht.»
«Mein Schiff ist unsere einzige Fregatte, Sir«, warf Javal duster dazwischen.
«Ist das eine Feststellung oder eine Beschwerde?»
Javal zuckte die Achseln.»Ein chronisches Ubel, Sir.»
Probyn sah erst ihn und dann Farquhar auf seine schnelle, verstohlene Art an.»Ein gro?es Risiko. Und wenn wir auf uberlegene Verbande sto?en, haben wir keine Unterstutzung.»
«Aber zumindest wissen wir dann, wo sie sind, mein lieber George«, erwiderte Farquhar kuhl.
«Die Lage ist ernst«, mahnte Herrick.
«Offenbar«, erwiderte Farquhar mit blitzenden Augen.»Also wollen wir sie auch ernsthaft angehen.»
«Eins ist jedenfalls sicher«, sagte Bolitho, und aller Augen wandten sich ihm wieder zu,»wir mussen gut abgestimmt operieren. Wie Sie uber den Sinn dieser Befehle denken, ist mir gleich, wir mussen sie jedenfalls in Taten umsetzen. Und sie so ausfuhren, da? die Flotte und das Land den gro?tmoglichen Nutzen davon haben.»
«Der Ansicht bin ich auch, Sir«, nickte Farquhar.
Die anderen blieben stumm.
«Nun gehen Sie bitte wieder an Bord Ihrer Schiffe und unterrichten Sie Ihre Leute uber unsere Aufgabe. Und heute abend bitte ich Sie, bei mir zu speisen.»
Im Aufstehen uberlegten bereits alle, wie sie seine Worte ihren Untergebenen beibringen konnten. Wie Bolitho wurde jeder von ihnen, mit Ausnahme von Inch, erst einmal an Bord allein sein wollen, um sich auf das einzustellen, was auf ihn zukam. Aber viel Zeit blieb ihnen nicht. Er mu?te jeden einzelnen besser kennenlernen; wenn die Lysander ein Signal setzte, mu?te jeder Kommandant die Gedanken des Mannes lesen konnen, von dem es kam.
Einer nach dem anderen verabschiedete sich. Probyn ging als letzter; das hatte Bolitho vorher gewu?t.
«Schon, Sie wiederzusehen, Sir«, sagte er verlegen.»Damals, das waren tolle Zeiten. Ich habe immer gewu?t, da? Sie Erfolg haben, beruhmt werden. «Seine Blicke schossen in der Kajute umher.»Ich hatte weniger Gluck, aber meine Schuld war es nicht. Wenn man keine Verbindungen hat. «Er vollendete den Satz nicht.
«Es macht mir meine Aufgabe leichter, da? ich alte Freunde um mich habe«, antwortete Bolitho lachelnd.
Als die Tur sich geschlossen hatte, schritt Bolitho langsam zu dem Weinschrank aus massivem Mahagoni, den er aus London mitgebracht hatte. Es war ein sehr schones Stuck, ein Meisterwerk des Tischlers, wovon jede Flache und jede Fuge zeugte.
Er starrte den Schrank immer noch an, als Herrick, der die anderen Kommandanten zur Fallreepspforte begleitet hatte, zuruckkam.
«Das ging ja ganz gut«, sagte der Flaggkapitan mit einem kleinen Seufzer. Dann sah er den Schrank und stie? einen leisen Pfiff aus.»Das ist aber ein wunderschones Stuck!»
«Ein Geschenk«, lachelte Bolitho,»und oft nutzlicher als viele andere Geschenke, Thomas.»
Herrick sah sich den Schrank genau an.»Ihr Neffe ist drau?en, Sir«, sagte er dann.»Ich habe die Geschichte bereinigt. Er macht Extradienst, damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommt. Aber ich dachte, Sie wurden ihn sprechen wollen. «Bewundernd strich Herrick uber das polierte Holz.»Von wem haben Sie dieses schone Stuck, wenn ich fragen darf?»
«Von Mrs. Pareja«, antwortete Bolitho.»Sie werden sich noch an sie erinnern.»
Erstaunt sah er, wie ein Schleier uber Herricks Augen fiel.»Jawohl, Sir«, erwiderte er knapp.»Sehr gut sogar.«»Was ist denn, Mann?»
Herrick sah ihm offen ins Gesicht.»Jedesmal, wenn ein Schiff aus England kam, gab es Gerede — Klatsch, wenn Sie wollen. Zum Beispiel daruber, da? Sie mit dieser Dame in London eine Affare hatten.»
Verblufft starrte Bolitho ihn an.»Mein Gott, Thomas, das sieht Ihnen aber gar nicht ahnlich.»
Doch Herrick gab nicht auf.»Das war namlich der Grund, weshalb Ihr Neffe mit dem anderen Leutnant die Waffen kreuzte. Einen Ehrenhandel nennt man das wohl.»
Bolitho sah zur Seite. Und er hatte gedacht, es hatte etwas mit Adam Pascoes Herkunft zu tun gehabt, mit seinem toten Vater, dem Verrater und Renegaten.
«Danke, da? Sie es mir gesagt haben.»
«Einer mu?te es ja tun, Sir. «Herricks blaue Augen blickten beschworend.»Sie haben so viel fur uns alle getan; ich will nicht, da? wegen einer.»
«Ich habe Ihnen dafur gedankt, da? Sie es mir gesagt haben, Thomas. Nicht fur Ihre Meinung uber die Dame.»
4
siehe Kent: Der Stolz der Flotte
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