Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander - Страница 47
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Pascoe nickte und packte ein paar Matrosen bei Schulter und Arm.»Aye, Sir.»
Gilchrist sah zu ihm hoch.»Wenn Sie das Ding nicht an Bord hieven konnen, dann sorgen Sie wenigstens dafur, da? der Rumpf nicht noch mehr beschadigt wird!«Schaum und Spritzwasser einer aufschwappenden Welle schnitten ihm das Wort ab, und er konnte nur noch husten.
Als das Wasser strudelnd abgeflossen war, sah Bolitho, da? der Mann, dem Gilchrist vorhin Prugel angedroht hatte, verschwunden war. Er trieb vermutlich irgendwo in der Finsternis, sah sein Schiff verschwinden, und seine Rufe verhallten zwischen den wutenden Seen. Doch hochstwahrscheinlich war er gleich untergegangen, denn nur wenige Seeleute konnten schwimmen. Bolitho ertappte sich dabei, da? er dem Mann einen schnellen Tod wunschte.
«Da geht sie!«Der Ruf ertonte, als die gekappte Raah mit machtigem Krachen und Rei?en an der Leeseite hinabfiel. Bolitho sah, wie Pascoes Manner auf der Lauf brucke versuchten, die immer noch gefahrliche Spiere unter Kontrolle zu bekommen, und hielt den Atem an, denn eine Leine brach, und eine andere spannte sich, schor an der Reling entlang und schlang sich Pascoe um die Schultern.
«Belegen!»
Midshipman Luce, der berstenden Wasserwande nicht achtend, rannte die Laufbrucke hinunter.
«Kappen!»
Aber Pascoe wurde in eine weitere Leine verstrickt. Bolitho fuhlte sein Blut gefrieren: es sah aus, als beuge sich Pascoe uber das Schanzkleid, aber in Wirklichkeit wurde er hilflos von dem wirbelnden Chaos der Leinen uber Bord gezerrt.
Doch jetzt stand Luce neben ihm, geduckt unter dem schwarzen Tauwerk, und hackte mit seiner Axt nach oben.
Yeo eilte vom Vorschiff herbei; sein schnelles, durch zwanzig Jahre Seefahrt gescharftes Auge erkannte sofort die gefahrliche Lage.
«Aufpassen, Mr. Luce!»
Doch es war zu spat. Wahrend die scharfe Axt ein gebrochenes Stag durchschnitt, spannte sich ein anderes, das sich um Luces Arm gewickelt hatte. Pascoe fiel keuchend in die Arme zweier Matrosen; doch Luce, mit dem Arm in jener Leine, wurde gegen das Schanzkleid geschleudert, wahrend die Leine unter dem vollen Korpergewicht tief in das Fleisch des Armes schnitt. Das Schiff hob sich schwerfallig, und Luce schrie auf:»O Gott, helft mir doch!«Als Yeo endlich mit seinen Mannern bei ihm war und die Leine kappte, fiel er ihnen bewu?tlos vor die Fu?e.
«Schnell, Allday, schaffen Sie ihn hinunter!«befahl Bolitho. Dann rannte er nach achtern und half Pascoe auf die Fu?e.»Wie geht's?»
Pascoe betastete seinen Rucken und verzog das Gesicht.»Das war knapp…«Er starrte uber das Deck.»Wo ist Bill Luce, Sir? Ist er…»
«Er ist verletzt. «Jetzt reagierte das Schiff bereits spurbar, wenn auch langsam, auf seine Freiheit — die Manner, die ihm unter Schmerzen und Muhen dabei geholfen hatten, mochten ihm ganz gleichgultig sein.»Ich habe ihn zum Arzt bringen lassen.»
Pascoe starrte ihn an.»O Gott — er hat mir das Leben gerettet!»
Bolitho verstand seine Verzweiflung, sah trotz der Dunkelheit den Kummer in seinem Gesicht.
«Ich gehe zu ihm hinunter, Adam. Du bleibst hier. Du wirst gebraucht. «Es tat weh, das zu sagen.
Bolitho ging weiter nach achtern. Da stand Farquhar an der Achterdecksreling, als hatte er sich nie weggeruhrt.»Vielen Dank, Sir«, stie? er aus.»Da? Sie mit vorn waren, hat die Manner wieder in Schwung gebracht!»
«Das mochte ich bezweifeln«, erwiderte Bolitho kuhl.»Aber ein Kommandant achtern genugt.»
Er blickte zum gerefften Marssegel hoch. Immer noch eisenhart, aber es hielt, trotz des enormen Drucks.
«Ich gehe ins Krankenrevier«, sagte er.
«Sind Sie verletzt, Sir?»
«Lassen Sie mich sofort rufen, wenn sich etwas andert. «Er schritt zur Kampanje.»Nein, verletzt bin ich nicht. Nicht korperlich.»
Wahrend er vo n einer Leiter zur nachsten tiefer stieg, wurden die Gerausche der See immer gedampfter; jetzt empfingen ihn das Knarren der beanspruchten Planken, die Geruche nach Bilgewasser und Teer. Schwankende Laternen warfen schiefe Schatten auf seinen Weg durch das untere Batteriedeck der Lysander, wo das ganze Jahr lang kein Tageslicht hinkam. Bei dem kleinen Krankenrevier fand er ein paar Matrosen vor, die sich von der Behandlung erholten; manche waren verbunden, manchen half noch die tiefe RumNarkose uber ihre Schmerzen hinweg. Die Luft war dick zum Schneiden und stank nach Leid und Blut.
Er trat ein. Henry Shacklock, der Schiffsarzt, sprach mit seinen Gehilfen, die noch zwei Lampen uber dem Tisch anbrachten.
Shacklock blickte hoch und erkannte Bolitho.»Sir?»
Er war ein mude aussehender, dunnhaariger Mann. In dem schwankenden, gelben Licht wirkte er fast kahl, dabei war er noch nicht einmal drei?ig. Bolitho hatte festgestellt, da? er ein guter Arzt war — leider ein ziemlich seltener Fall auf den Schiffen des Konigs.
«Wie geht's Mr. Luce?»
Die Gehilfen traten zur Seite, und Bolitho sah, da? der Midship-man bereits auf dem Tisch lag. Er war nackt, sein Gesicht verzerrt, die Haut sehr bleich. Shacklock entfernte einen provisorischen Verband von der Schulter.
Die Leine mu?te Fleisch und Muskeln glatt durchschnitten haben. Der Unterarm lag in einem unnaturlichen Winkel, die Finger waren ausgestreckt und schlaff.
Shacklock ma? mit seiner Handspanne wie mit einem Zollstock eine Entfernung von der Schulter ab — knapp sechs Zoll.
«Der Arm mu? ab, Sir. «Zweifelnd schob er die Lippen vor.»Und selbst dann…»
Bolitho sah auf Luces totenbleiches Gesicht hinunter. Siebzehn Jahre alt. Uberhaupt noch nicht gelebt.
«Mu? das sein?»
Wozu die Frage? Er hatte sie schon so oft gestellt.
«Ja. «Der Arzt nickte seinen Gehilfen zu.»Je schneller, desto besser. Vielleicht kommt er nicht zu sich, bis wir fertig sind.»
In diesem Moment schlug Luce die Augen auf. Regungslos starrten sie Bolitho an und schienen in diesen wenigen Sekunden alles zu begreifen, was geschehen war und was noch kommen wurde.
«Sie haben Mr. Pascoe das Leben gerettet. Adam kommt herunter, sobald er kann«, sagte Bolitho und versuchte, moglichst ruhig zu sprechen.
Uber den Kopf des Jungen hinweg sah er, da? Shacklock zwei Messer aus einem Kasten nahm. Eins war kurz, das andere lang und schmal. Einer der Gehilfen rieb unter der Laterne irgend etwas mit einem Tuch ab, und als der Mann seitwarts schwankte, sah Bolitho, da? es eine Sage war.
«Mein Arm, Sir?«flusterte Luce fast unhorbar. Die Tranen liefen ihm ubers Gesicht.»Bitte nicht, Sir!»
Der Gehilfe reichte Bolitho einen Becher Rum, und er hielt ihn dem Jungen an die Lippen.»Trinken Sie. So viel Sie konnen. «Der Rum tropfelte ihm aus den Mundwinkeln; der Korper zitterte wie im Fieber. Das war alles, was sie hatten: Rum und nach der Operation Opium zum Schlafen.
Er horte Schritte, und dann Pascoes Stimme, gepre?t und kaum erkennbar:»Der Kommandant la?t respektvoll melden, Sir, da? wir soeben die Nicator gesichtet haben.»
Bolitho richtete sich auf, behielt aber die Hand an Luces Schulter.»Danke. «Die Schatten kamen drohend naher, wie Engel des Todes, denn Shacklocks Manner wollten anfangen.»Bleib bei ihm, Adam.»
Er blickte wieder auf den Midshipman nieder; der starrte immer noch zu ihm auf, Rum und Tranen mischten sich auf seinem Hals. Nur sein Mund bewegte sich. »Bitte!«flusterte er wieder.
Bolitho wartete, bis Pascoe neben Luces Kopf stand, und sagte dann zu Shacklock:»Tun Sie Ihr Bestes!»
Der Chirurg nickte.»Ich habe die Messer anwarmen lassen, Sir, damit der Schock nicht so gro? ist.»
Als Bolitho sich zum Gehen wandte, gab der Arzt ein Zeichen, und er horte Luce aufschreien: Die Gehilfen hatten seine Arme und Beine gepackt und pre?ten ihm den Kopf auf die Tischplatte.
Luces furchtbare Schreie verfolgten ihn bis aufs Hauptdeck. Dort endlich ri? der Sturm sie weg.
Bolitho stutzte beide Hande auf die Karte und studierte sie minutenlang. In zwei langen Tagen und Nachten hatte sich der Sturm erschopft, und in dem warmen Sonnenlicht und der sanften Brise kam ihm das Schiffjetzt fast unbeweglich vor.
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