Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander - Страница 10
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III Ein Veteran kehrt wieder
Kapitan John Neale von der Fregatte Styx beendete sein Morgengesprach mit dem Ersten Offizier und wartete ab, ob Bolitho von der Kajutstreppe auf ihn zukam. Es waren jetzt sieben Tage seit Plymouth, und Neale horte nicht auf, sich uber die scheinbar unerschopfliche Energie seines Admirals zu wundern. Inzwischen hatte Bolitho sich einen grundlichen Uberblipk verschafft — uber die franzosische Kustenlinie ebenso wie uber die ihm zur Verfugung stehenden Schiffe. Sie hatten eine schlimme Uberraschung erlebt, als sie mit dem kustennahen Patrouillenschiff, der Fregatte Sparrowhawk, einen Tag nach Insichtkommen von Belle Ile Kontakt aufgenommen hatten. In Bolithos Einsatzgebiet operierte neben einer schnellen Brigg, die den passenden Namen Rapid trug, nur noch eine weitere Fregatte, die Unrivalled. Nein, sie hatte operiert. Neale verzog bitter den Mund. Ihr Kommandant hatte dicht unter der Kuste gekreuzt und dabei einen fatalen Fehler begangen, indem er sich nicht genug Seeraum lie?, um notfalls schnell aufs offene Meer abdrehen zu konnen. Zwei gegnerische Schiffe hatten sich, vor dem Wind laufend, auf ihn gesturzt; nur mit knapper Not war er ihnen entkommen. Was aber Bolithos kleine Streitmacht betraf, so hatte Unrivalled ebensogut erbeutet oder versenkt sein konnen, denn sie hatte sich mit durchlochertem Rumpf und unter Behelfsrigg absetzen mussen und hinkte jetzt nach Hause in die Sicherheit irgendeines Reparaturdocks.
Neale warf einen Blick hinauf zum Toppstander. Der Wind hatte schon wieder auf Nord gedreht, war frisch und boig. Hoffentlich erreichte der gerupfte Unglucksvogel den Hafen noch in einem Stuck.
Bolitho nickte dankend, als Neale zum Gru? an seinen Hut tippte. Ganz gleich, wann er an Deck kam, Neale schien immer schon vor ihm da zu sein, und sei es vor Tagesanbruch. Wenn mit seinem Schiff irgend etwas nicht stimmte, dann wollte er es als erster erfahren und nicht von seinem Admiral horen; Neale machte seine Sache gut.
Wahrend Allday ihm unten Kaffee servierte, hatte Bolitho uber sein ausgedunntes Geschwader nachgedacht. Bis die versprochene Verstarkung eintraf, konnte er also nur auf zwei Fregatten zuruckgreifen und auf die Brigg, die Verbindung mit den starkeren Geschwadern nordlich und sudlich von ihm halten mu?te. Auf einer Wandkarte in Whitehall mochte sich das ja ganz passabel ausnehmen. Aber hier drau?en in dieser Wasserwuste, wo das Morgengrauen einen ersten schmutziggelben Schimmer auf die endlosen Staffeln der wei?en Wellenkamme warf, war es trostlos.
Immerhin sollten jetzt bald die Segel von Sparrowhawk querab in Sicht kommen, ihrer anderen Fregatte, die vor Belle Ile gekreuzt und auf den ortlichen Schiffsverkehr gelauert hatte, der sich dicht unter Land nach Nantes oder Lorient durchzuschlagen ve rsuchte.
Wie sie uns hassen mussen, dachte Bolitho. Uns und die zahen, sturmerprobten Schiffe, die mit jedem neuen Morgen wieder in Sicht kommen, stets bereit zum Angriff; sie warteten nur darauf, dem Feind eine Prise vor der Nase wegzuschnappen oder — wenn die franzosischen Admirale es wagten, ihnen die Stirn zu bieten — davonzujagen und die Hauptmacht der Blockadeflotte zu alarmieren.
So klein es war, sein Geschwader hatte Bolitho beeindruckt. Er hatte sowohl der Brigg wie auch der anderen Fregatte einen Besuch abgestattet, obwohl das hie?, bis auf die Haut na? zu werden, als er sich im schlingernden Boot ubersetzen lie?. Aber sie mu?ten ihn kennenlernen, als sei er einer von ihnen und nicht ein ferner Flaggoffizier auf dem Achterdeck irgendeines pomposen Dreideckers. Nein, wenn es ums Letzte ging, mu?ten sie ihn als einen der Ihren sehen, der mitten im Gefecht stand.
Zu Neale meinte er:»Der Wind hat gedreht.»
Neale beobachtete seine Toppsgasten, die wieder einmal aufenterten, um die Bramsegel zu trimmen.
«Aye, Sir. Der Master ist uberzeugt, da? er bis zum Abend noch weiter raumen wird.»
Bolitho lachelte. Dann wurde es auch so kommen. Der Master und seinesgleichen durchschauten den Wind, noch ehe er selber wu?te, was er wollte.
Sieben Tage seit Plymouth, das hallte wie ein Klagelied in seinem Kopf wider. Sieben Tage — und kaum Resultate. Selbst wenn sein ganzes Geschwader eintraf — was sollte er unternehmen oder anordnen?
Einer einzigen faulen Sache war er bisher auf die Spur gekommen. Alle beide Kommandanten, der derbe junge Duncan von Sparrowhawk ebenso wie der noch jungere Lapish von Rapid, hatten die Leichtigkeit erwahnt, mit der die Franzosen die britischen Schiffsbewegungen konterkarierten. Im vergangenen Jahr hatten gut bestuckte Linienschiffe immer wieder Hafen dieses Kustenabschnitts angegriffen, doch jedesmal waren die Franzosen darauf vorbereitet gewesen, hatten ihre eigenen Schiffe gefechtsbereit und die Kustenbatterien alarmiert; so war den Angriffen die Spitze genommen. Und das, obwohl die britischen Geschwader im Norden wie im Suden jedes angeblich neutrale Fahrzeug aufbrachten, durchsuchten und davonjagten, ehe es die wirkliche Starke der Blockadeflotte erkunden konnte. Oder ihre Schwache, dachte Bo-litho grimmig. Die Hande auf dem Rucken, ging er auf dem Achterdeck auf und ab, wahrend er uber diese minimale Erkenntnis nachdachte. Vielleicht kundschafteten die Franzosen nachts mit kleinen Fahrzeugen die Briten aus? Nein, die waren zu langsam und zu schwerfallig, um bei einer eventuellen Entdeckung zu entkommen. Eilkuriere, die mit einem Gewaltritt wie damals Browne die Nachricht zu den Befehlshabern entlang der Kuste brachten? Moglich, aber unwahrscheinlich. Die schlechten Stra?en und gro?en Entfernungen zwischen den einzelnen Kustenstadten hatten eine zu lange Verzogerung bedingt.
Obwohl er auf der Hut war, merkte Bolitho, da? seine Gedanken doch wieder nach Falmouth abirrten. Inzwischen mu?te Belinda zu Hause sein. Zuruckgekehrt in ein leeres Haus, wo sein einarmiger Diener Ferguson ihr nach besten Kraften Erklarungen und Trost offerieren wurde. Was mochte sie von ihm halten? Sie, die nicht wu?te, wozu die Kriegsmarine fahig war?
Belinda war jetzt vierunddrei?ig und damit zehn Jahre junger als er. Man konnte nicht verlangen, da? sie auf ihn wartete, da? sie wieder wie in ihrer ersten Ehe Qualen ausstand.
Bolitho blieb stehen und umklammerte den Handlauf der Finknetze. Vielleicht gehorte sie schon jetzt, in diesem Augenblick, einem anderen. Einem Jungeren vielleicht, der mit beiden Beinen fest an Land verwurzelt war.
Browne trat heran und wunschte ihm mit angegriffener Stimme einen guten Morgen.
Seit Plymouth hatte man Bolithos Adjutanten kaum an Deck gesehen. Aber selbst die alteren Seeleute erzahlten mit genu?lichem Schauder, welche Rekorde Browne beim Fischefuttern aufstellte. Doch heute sah er schon etwas besser aus, dachte Bolitho. Ihm kam es vor wie Hohn, da? er selbst sich trotz seiner privaten und dienstlichen Sorgen gesundheitlich nie wohler gefuhlt hatte. Das Leben an Bord und das standige Kommen und Gehen von Mannern, deren Gesichter ihm allmahlich vertraut waren, erinnerten ihn standig an seine Jugend als Fregattenkapitan. Er fuhlte, da? er korperlich und geistig so fit war wie kaum jemals auf einem viel gewaltigeren Linienschiff.
«Wir mussen heute Kontakt mit Rapid aufnehmen, Mr. Browne«, sagte er.»Ich will sie dichter unter Land stationieren — es sei denn, der Master irrt sich mit seiner Wettervorhersage.»
Browne musterte Bolitho nachdenklich. Wie schaffte der Mann das blo?? Visitierte die anderen Schiffe des Geschwaders, besprach mit Neale jede Einzelheit der Kustenhandelsschiffahrt und des ortlichen Schiffsverkehrs und schien niemals mude zu werden.
Vielleicht setzte er sich selbst nur so unter Druck, um nicht ins Grubeln uber andere, private Probleme zu geraten. Browne hatte Bolitho inzwischen doch durchschauen gelernt.
«An Deck!»
Browne blickte nach oben und verzog schmerzlich das Gesicht, als er die winzige Gestalt erblickte, die hoch uber Deck gefahrlich auf der Saling balancierte.
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