Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander - Страница 4
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Browne jedoch hatte nur ein skeptisches Stirnrunzeln fur Bolithos Adjutantenwahl. Vielleicht wollte er ihn damit warnen, einen nahen Verwandten auf einen Posten zu setzen, dessen Inhaber im Notfall unparteiisch beiseitestehen mu?te. Aber es schien Bolitho wichtiger, da? Adam mit seinen 21 Jahren jetzt, da er diese Chance fur seine Karriere am dringendsten brauchte, nicht ohne neue Kommandierung auf ein Schiff blieb.
Bolitho lehnte den Kopf ans warme Leder der Sitzbank.
Also Valentine Keen, Adam und Allday. Zusammen mochten die drei noch uber sich hinauswachsen. Aber andere vertraute Gesichter erwarteten ihn wohl nicht an Bord.
Achates war ursprunglich in der Themsemundung in Dienst gestellt worden, wahrend Bolitho eher die Schiffe aus Westengland oder von Spithead kannte. Mit gemischten Gefuhlen machte er sich klar, da? Achates fast ein Schwesterschiff von Nelsons beruhmter Agamemnon war, in derselben Werft auf Kiel gelegt und gebaut wie sie, der Werft von Henry Adam in Bucklers Hard am Beaulieu.
Die schwindende Schar der 64er hatte jedenfalls einen gro?en Vorzug: Sie waren gro?er als alle schnelleren Schiffe und schneller als alle gro?eren. Kein Wunder, da? die Kommandanten machtiger Drei-decker sie mit widerwilliger Bewunderung beaugten.
Nelson hatte jedenfalls einmal behauptet, da? seine kleine Agamemnon ein hervorragender Segler sei und selbst am Wind und unter Sturmbesegelung mit jeder Fregatte mithalten konne.
Bolitho fragte sich, ob Keen von Achates wohl ebenso angetan war. Sein letztes Schiff war ein machtiger 74er gewesen, und vielleicht bedauerte er schon seinen Entschlu?, Bolithos Flaggkapitan zu werden.
Die Pferde fielen in Schritt, weil vor ihnen eine Schafherde die schmale Landstra?e uberquerte. Eine junge Frau, ihr Kind auf der Hufte und den Mittagsimbi? fur ihren Mann in einem Bundel in der anderen Hand, starrte die vorbeifahrende Kutsche an. Sie nickte Bo-litho durchs Fenster zu und lachelte mit blitzenden Zahnen.
Bolithos Gedanken kehrten zu Belinda zuruck und dem Kind, das sie erwartete. Wurde es ein Sohn werden, der — getreu der Familientradition — einst an Deck eines Schiffes der neuen Generation stehen sollte? Oder eine Tochter, die heranwachsen und das Herz eines Mannes gewinnen wurde — Garanten einer Zukunft, die er vielleicht nie erleben durfte? Belinda hatte er von seiner Mission nur wenig erzahlt. Der Anla? hatte sie vielleicht verbittert, wenn sie erst Zeit fand, daruber nachzudenken.
Dabei fiel ihm wieder der Gouverneur von San Felipe ein, der sein kleines Reich bald dem alten Feind ubergeben mu?te. Allday, der ihm gegenuber nun fest schlief, hatte uber Sir Humphrey Rivers, Ritter des Bath-Ordens, einiges beisteuern konnen. Denn Allday sammelte und hortete Informationen uber das Gehen und Kommen bei der Flotte wie eine Elster glitzernde Glasperlen.
Wahrend der Amerikanischen Revolution hatte Rivers eine Fregatte namens Crusader befehligt, etwa zur gleichen Zeit, als Bolitho sein erstes Schiff bekam, die kleine Korvette Sparrow.
Rivers hatte franzosische Freibeuter gejagt, Prisen aller Art und Gro?en erbeutet und sich damit bald einen Namen gemacht. Doch vor der Chesapeake Bay hatte er in seinem Eifer, eine amerikanische Brigg zu stellen, die Gefahr unterschatzt und war mit seiner Crusader auf einer Untiefe gestrandet. Das Schiff wurde ein Totalverlust. Rivers war in Gefangenschaft geraten, aber nach dem Krieg an England ausgeliefert worden.
Es hie?, er hatte als Gefangener einflu?reiche Freunde gewonnen; ebenso spater, als er befordert wurde und ein Geschwader in Westindien befehligte. Er sollte viel Geld auf Londoner Banken haben und Grundbesitz in Jamaika. Das alles deutete nicht auf einen Charakter hin, der sich mit den Planen von Whitehall leicht abfinden wurde.
Bolitho verzog das Gesicht. Nicht einmal dann, wenn ihm diese Plane von einem im Rang ebenburtigen Offizier unterbreitet wurden.
Die Rader holperten durch tiefe Schlaglocher, und Bolitho unterdruckte ein Aufstohnen, als die Erschutterung wie eine gluhende Kralle durch seine alte Schenkelwunde fuhr.
Vor ihrer Ehe hatte er deshalb an Hemmungen gelitten, aber Belinda hatte ihm auch hierbei geholfen. Gelegentlich zwang ihn der Schmerz zu einem leichten Hinken, und er hatte sich vor ihr wie ein Kruppel gefuhlt.
Er wurde unruhig, als er an ihre nachtliche Beruhrung dachte, an die Warme ihrer weichen Haut. Zartliche Worte murmelnd, hatte sie sich uber ihn gebeugt und die ha?liche Narbe geku?t, die eine Musketenkugel und das Skalpell des Chirurgen hinterlassen hatten. Fur sie war die Verletzung eher ein Grund zum Stolz als eine grausame Demutigung.
All das und mehr blieb nun mit jeder Umdrehung der Rader weiter hinter ihm zuruck. Er furchtete die Nacht, wenn die Kutsche fur den ersten Pferdewechsel in Torbay halten wurde. Nein, dann ging er doch lieber gleich an Bord und lief mit der ersten gunstigen Tide aus, das lie? keine Zeit fur Gram und Sehnsucht.
Wie dachte wohl Allday insgeheim daruber, da? es mit dem Landleben vorbei war und er wieder einer Ungewissen Zukunft entgegenfuhr?
Die Flagge im Fockmast… Allday schien ehrlich stolz darauf zu sein. Aber das wurden Manner wie Admiral Sheaffe wohl nie begreifen.
II Der neue Bolitho
Kapitan Valentine Keen trat aus dem Schatten des Huttendecks und schlenderte zu den Backwordwanten hinuber. Wohin ersah, war alles eifrig bei der Arbeit, auf dem Achterdeck, dem Batteriedeck und hoch oben in den Masten und Rahen.
Der wachhabende Offizier tippte gru?end an seinen Hut und schritt dann taktvoll zur anderen Decksseite hinuber. Wie alle an Bord bemuhte er sich, einen stark beschaftigten Eindruck zu machen und sich vom Erscheinen des Kommandanten nicht uber Gebuhr ablenken zu lassen.
Keens Blicke wanderten uber sein neues Schiff. Er hatte sich in seiner Gig schon rund um die Achates pullen lassen, hatte ihre Linien studiert und den Trimm, wie sie da so gelassen uber ihrem schwarzbeige gestreiften Spiegelbild im Wasser ritt.
Seeklar. Es war die ureigenste Entscheidung des Kommandanten, ab wann dieser Zustand galt. Danach, wenn der Anker eingeschwungen und der Bug seewarts gerichtet war, gab es kein Zuruck mehr.
Das Wetter war warm und feucht fur Mai, und die schutzenden Landzungen hullten sich in leichten Dunst. Keen hoffte, da? trotzdem ein leichter Wind aufkommen wurde. Denn Bolitho drangte bestimmt ungeduldig aufs Auslaufen, wollte dem Land den Rucken kehren, wenn auch aus anderen Grunden als Keen.
Er beschattete die Augen und spahte zum Fockmasttopp hinauf. Achates war noch nie unter Admiralsflagge gesegelt. Ob es das Schiff irgendwie verwandeln wurde?
Keen trat zuruck in den Schatten neben der Treppe zum Huttendeck und beobachtete zufrieden das Treiben an Bord. Das Schiff machte einen guten Eindruck: solide, dauerhaft und in langen Jahren erprobt. Einige Offiziere hatten darauf schon als Kadetten gedient, und der harte Kern ihrer Unteroffiziere — sie bildeten das Ruckgrat jedes Kriegsschiffes — gehorte seit Jahren zur Stammbesatzung.
Das Schiff strahlte Selbstvertrauen aus und den spurbaren Eifer, bald wieder in See zu stechen, bevor es das Schicksal so vieler anderer, stillgelegter Artgenossen teilen mu?te. Keens altes Schiff, die Nicator mit 74 Kanonen, die sich vor Kopenhagen und spater in der Biskaya ausgezeichnet hatte, war schon au?er Dienst gestellt: uberflussig und unerwunscht geworden wie ihre Mannschaft, die sich so tapfer geschlagen hatte, als die Trommeln zur Schlacht riefen.
Achates' fruherer Kommandant hatte sie sieben Jahre lang befehligt. Seltsam, da? er trotz dieser langen Zeit seinem Quartier keinen personlichen Stempel aufgepragt hatte. Vielleicht hatte er alles in die Mannschaft investiert. Die Leute machten einen zufriedenen Eindruck, auch wenn wahrend der Uberholung die ubliche Zahl an Deserteuren zu verzeichnen gewesen war. Schlie?lich gab es Frauen, Kinder und Freundinnen an Land, die nach der langen Trennung fast nicht mehr wiederzuerkennen waren. Keen vermochte die Leute nur schwer dafur zu tadeln, da? einige dem Lockruf des Landes erlegen waren.
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