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Hermann und Dorothea - Goethe Johann Wolfgang - Страница 11


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«Auch ich lobe die Vorsicht«, versetzte der Geistliche folgend;

«Frein wir doch nicht fur uns! Fur andere frein ist bedenklich.»

Und sie gingen darauf dem wackern Richter entgegen,

Der in seinen Geschaften die Stra?e wieder heraufkam.

Und zu ihm sprach sogleich der kluge Pfarrer mit Vorsicht:

«Sagt! wir haben ein Madchen gesehn, das im Garten zunachst hier

Unter dem Apfelbaum sitzt und Kindern Kleider verfertigt

Aus getragnem Kattun, der ihr vermutlich geschenkt ward.

Uns gefiel die Gestalt, sie scheint der Wackeren eine.

Saget uns, was Ihr wi?t; wir fragen aus loblicher Absicht.»

Als, in den Garten zu blicken, der Richter sogleich nun herzutrat,

Sagt' er:»Diese kennet Ihr schon; denn wenn ich erzahlte

Von der herrlichen Tat, die jene Jungfrau verrichtet,

Als sie das Schwert ergriff und sich und die Ihren beschutzte -

Diese war's! Ihr seht es ihr an, sie ist rustig geboren,

Aber so gut wie stark; denn ihren alten Verwandten

Pflegte sie bis zum Tode, da ihn der Jammer dahinri?

Uber des Stadtchens Not und seiner Besitzung Gefahren.

Auch, mit stillem Gemut, hat sie die Schmerzen ertragen

Uber des Brautigams Tod, der, ein edler Jungling, im ersten

Feuer des hohen Gedankens nach edler Freiheit zu streben,

Selbst hinging nach Paris und bald den schrecklichen Tod fand;

Denn wie zu Hause, so dort, bestritt er Willkur und Ranke.»

Also sagte der Richter. Die beiden schieden und dankten,

Und der Geistliche zog ein Goldstuck (das Silber des Beutels

War vor einigen Stunden von ihm schon milde verspendet,

Als er die Fluchtlinge sah in traurigen Haufen vorbeiziehn),

Und er reicht' es dem Schulzen und sagte:»Teilet den Pfennig

Unter die Durftigen aus, und Gott vermehre die Gabe!»

Doch es weigerte sich der Mann und sagte:»Wir haben

Manchen Taler gerettet und manche Kleider und Sachen,

Und ich hoffe, wir kehren zuruck, noch eh es verzehrt ist.»

Da versetzte der Pfarrer und druckt' ihm das Geld in die Hand ein:

«Niemand saume zu geben in diesen Tagen, und niemand

Weigre sich anzunehmen, was ihm die Milde geboten!

Niemand wei?, wie lang er es hat, was er ruhig besitzet;

Niemand, wie lang er noch in fremden Landen umherzieht

Und des Ackers entbehrt und des Gartens, der ihn ernahret.»

«Ei doch!«sagte darauf der Apotheker geschaftig,

«Ware mir jetzt nur Geld in der Tasche, so solltet Ihr's haben,

Gro? wie klein; denn viele gewi? der Euren bedurfen's.

Unbeschenkt doch la? ich Euch nicht, damit Ihr den Willen

Sehet, woferne die Tat auch hinter dem Willen zuruckbleibt.»

Also sprach er und zog den gestickten ledernen Beutel

An den Riemen hervor, worin der Tobak ihm verwahrt war,

Offnete zierlich und teilte; da fanden sich einige Pfeifen.

«Klein ist die Gabe«, setzt' er dazu. Da sagte der Schulthei?.

«Guter Tobak ist doch dem Reisenden immer willkommen.»

Und es lobte darauf der Apotheker den Knaster.

Aber der Pfarrherr zog ihn hinweg, und sie schieden vom Richter.

«Eilen wir!«sprach der verstandige Mann;»es wartet der Jungling

Peinlich. Er hore so schnell als moglich die frohliche Botschaft.»

Und sie eilten und kamen und fanden den Jungling gelehnet

An den Wagen unter den Linden. Die Pferde zerstampften

Wild den Rasen; er hielt sie im Zaum und stand in Gedanken,

Blickte still vor sich hin und sah die Freunde nicht eher,

Bis sie kommend ihn riefen und frohliche Zeichen ihm gaben.

Schon von ferne begann der Apotheker zu sprechen;

Doch sie traten naher hinzu. Da fa?te der Pfarrherr

Seine Hand und sprach und nahm dem Gefahrten das Wort weg:

«Heil dir, junger Mann! dein treues Auge, dein treues

Herz hat richtig gewahlt! Gluck dir und dem Weibe der Jugend!

Deiner ist sie wert; drum komm und wende den Wagen,

Da? wir fahrend sogleich die Ecke des Dorfes erreichen,

Um sie werben und bald nach Hause fuhren die Gute.»

Aber der Jungling stand, und ohne Zeichen der Freude

Hort' er die Worte des Boten, die himmlisch waren und trostlich,

Seufzete tief und sprach:»Wir kamen mit eilendem Fuhrwerk,

Und wir ziehen vielleicht beschamt und langsam nach Hause;

Denn hier hat mich, seitdem ich warte, die Sorge befallen,

Argwohn und Zweifel und alles, was nur ein liebendes Herz krankt.

Glaubt Ihr, wenn wir nur kommen, so werde das Madchen uns folgen,

Weil wir reich sind, aber sie arm und vertrieben einherzieht?

Armut selbst macht stolz, die unverdiente. Genugsam

Scheint das Madchen und tatig; und so gehort ihr die Welt an.

Glaubt Ihr, es sei ein Weib von solcher Schonheit und Sitte

Aufgewachsen, um nie den guten Jungling zu reizen?

Glaubt Ihr, sie habe bis jetzt ihr Herz verschlossen der Liebe?

Fahret nicht rasch bis hinan; wir mochten zu unsrer Beschamung

Sachte die Pferde herum nach Hause lenken. Ich furchte,

Irgendein Jungling besitzt dies Herz, und die wackere Hand hat

Eingeschlagen und schon dem Glucklichen Treue versprochen.

Ach! da steh ich vor ihr mit meinem Antrag beschamet.»

Ihn zu trosten, offnete drauf der Pfarrer den Mund schon;

Doch es fiel der Gefahrte mit seiner gesprachigen Art ein:

«Freilich! so waren wir nicht vorzeiten verlegen gewesen,

Da ein jedes Geschaft nach seiner Weise vollbracht ward.

Hatten die Eltern die Braut fur ihren Sohn sich ersehen,

Ward zuvorderst ein Freund vom Hause vertraulich gerufen;

Diesen sandte man dann als Freiersmann zu den Eltern

Der erkorenen Braut, der dann in stattlichem Putze

Sonntags etwa nach Tische den wurdigen Burger besuchte,

Freundliche Worte mit ihm im allgemeinen zuvorderst

Wechselnd und klug das Gesprach zu lenken und wenden verstehend.

Endlich nach langem Umschweif ward auch der Tochter erwahnet,

Ruhmlich, und ruhmlich des Manns und des Hauses, von dem man gesandt war.

Kluge Leute merkten die Absicht; der kluge Gesandte

Merkte den Willen gar bald und konnte sich weiter erklaren.

Lehnte den Antrag man ab, so war auch ein Korb nicht verdrie?lich.

Aber gelang es denn auch, so war der Freiersmann immer

In dem Hause der Erste bei jedem hauslichen Feste;

Denn es erinnerte sich durchs ganze Leben das Ehpaar,

Da? die geschickte Hand den ersten Knoten geschlungen.

Jetzt ist aber das alles mit andern guten Gebrauchen

Aus der Mode gekommen, und jeder freit fur sich selber.

Nehme denn jeglicher auch den Korb mit eigenen Handen,

Der ihm etwa beschert ist, und stehe beschamt vor dem Madchen!»

«Sei es, wie ihm auch sei!«versetzte der Jungling, der kaum auf

Alle die Worte gehort und schon sich im stillen entschlossen;

«Selber geh ich und will mein Schicksal selber erfahren

Aus dem Munde des Madchens, zu dem ich das gro?te Vertrauen

Hege, das irgendein Mensch nur je zu dem Weibe gehegt hat.

Was sie sagt, das ist gut, es ist vernunftig, das wei? ich.

Soll ich sie auch zum letztenmal sehn, so will ich noch einmal

Diesem offenen Blick des schwarzen Auges begegnen;

Druck ich sie nie an das Herz, so will ich die Brust und die Schultern

Einmal noch sehn, die mein Arm so sehr zu umschlie?en begehret;

Will den Mund noch sehen, von dem ein Ku? und das Ja mich

Glucklich macht auf ewig, das Nein mich auf ewig zerstoret.

Aber la?t mich allein! Ihr sollt nicht warten. Begebet

Euch zu Vater und Mutter zuruck, damit sie erfahren,

Da? sich der Sohn nicht geirrt, und da? es wert ist das Madchen.

Und so la?t mich allein! Den Fu?weg uber den Hugel

An dem Birnbaum hin und unsern Weinberg hinunter

Geh ich naher nach Hause zuruck. Oh, da? ich die Traute

Freudig und schnell heimfuhrte! Vielleicht auch schleich ich alleine

Jene Pfade nach Haus und betrete froh sie nicht wieder.»

Also sprach er und gab dem geistlichen Herrn die Zugel,

Der verstandig sie fa?te, die schaumenden Rosse beherrschend,

Schnell den Wagen bestieg und den Sitz des Fuhrers besetzte.

Aber du zaudertest noch, vorsichtiger Nachbar, und sagtest:

«Gerne vertrau ich, mein Freund, Euch Seel' und Geist und Gemut an;

Aber Leib und Gebein ist nicht zum besten verwahret,

Wenn die geistliche Hand der weltlichen Zugel sich anma?t.»

Doch du lacheltest drauf, verstandiger Pfarrer, und sagtest:

«Sitzet nur ein, und getrost vertraut mir den Leib, wie die Seele;

Denn geschickt ist die Hand schon lange, den Zugel zu fuhren,

Und das Auge geubt, die kunstlichste Wendung zu treffen.

Denn wir waren in Stra?burg gewohnt, den Wagen zu lenken,

Als ich den jungen Baron dahin begleitete; taglich

Rollte der Wagen, geleitet von mir, das hallende Tor durch,

Staubige Wege hinaus, bis fern zu den Auen und Linden,

Mitten durch Scharen des Volks, das mit Spazieren den Tag lebt.»

Halb getrostet bestieg darauf der Nachbar den Wagen,

Sa? wie einer, der sich zum weislichen Sprunge bereitet;

Und die Hengste rannten nach Hause, begierig des Stalles.

Aber die Wolke des Staubs quoll unter den machtigen Hufen.

Lange noch stand der Jungling und sah den Staub sich erheben,

Sah den Staub sich zerstreun; so stand er ohne Gedanken.

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Goethe Johann Wolfgang - Hermann und Dorothea Hermann und Dorothea
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