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Grieche sucht Griechin - Дюрренматт Фридрих - Страница 9


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Er möchte nach Griechenland reisen, sagte Archilochos. Nach Korfu, nach dem Peloponnes, nach Athen.

Die Agentur vermittle keine Reisen auf Kohlendampfern, bedauerte der Angestellte.

Er möchte mit der >Julia< reisen, wandte Archilochos ein. Er wünsche eine Luxuskabine für sich und seine Frau.

Der Angestellte blätterte in einem Kursbuch, gab einem spanischen Zuhälter (Don Ruiz) die Daten eines Zugs. Es seien keine Plätze auf der >Julia< mehr frei, sagte er endlich und wandte sich einem Kaufmann aus Kairo zu.

Archilochos verließ das Reisebüro und setzte sich in das wartende Taxi. Überlegte. Wer der beste Schneider in der Stadt sei, fragte er dann den Chauffeur.

Der wunderte sich.»O'Neill-Papperer in der Avenue Bikini und Vatti in der Rue St. Honoré«, gab er zur Antwort.

«Der beste Friseur?»

«José am Quai Offenbach.»

«Das erste Hutgeschäft?»

«Goschenbauer.»

«Wo kauft man die besten Handschuhe?»

«Bei De Stutz-Kalbermatten.»

«Gut«, sagte Archilochos.»Zu diesen Geschäften. «So fuhren sie zu O'Neill-Papperer in der Avenue Bikini und zu Vatti in der Rue St. Honoré, zu José am Quai Offenbach und zu De Stutz-Kalbermatten, dem Handschuh-, und zu Goschenbauer, dem Hutgeschäft. Er kam durch tausend Hände, die an ihm nestelten, maßen, säuberten, schnitten, rieben, veränderte sich zusehends, stieg stets eleganter, duftender in das Taxi, nach Goschenbauer mit einem silbergrauen Edenhut auf dem Kopf, und fuhr am späten Nachmittag wieder vor dem Reisebüro am Quai de l'Etat vor.

Er wünsche eine Luxuskabine mit zwei Betten auf der >Julia<, sagte er mit unveränderter Stimme zu dem Angestellten, der ihn abgewiesen hatte, den silbergrauen Edenhut auf die Glasfläche legend.

Der Beamte begann ein Formular auszufüllen.»Die >Julia< fährt nächsten Freitag. Korfu, Peloponnes, Athen, Rhodos und Samos«, sagte er.»Darf ich um Ihren Namen bitten?»

Aber nachdem Arnolph die zwei Billette bezahlt und sich entfernt hatte, wandte sich der Angestellte zum spanischen Zuhälter, der immer noch herumlungerte und Reiseprospekte durchblätterte, um hin und wieder den Besuch einiger Damen zu empfangen, die (ebenfalls Prospekte studierend) Geldscheine in seine vornehmen, schmalen Hände gleiten ließen.

«Skandalös, Senor«, meinte der Angestellte angewidert und auf spanisch (das von der Abendschule stammte),»da kommt ein Straßenputzer oder Schornsteinfeger, verlangt zwei Billette für die >Julia<, die wirklich nur für die Aristokratie und für die allererste Gesellschaft reserviert ist (er verneigte sich vor Don Ruiz), nimmt doch der Prinz von Hessen an der nächsten Fahrt teil, Mrs. und Mr. Weeman und die Loren — und wie man ihm dies anständigerweise verweigert, aus Menschenfreundlichkeit noch, da er sich sonst ja nur blamieren würde, kehrt der Kerl zurück in seiner ganzen Frechheit, gekleidet wie ein Lord, reich wie ein Schlotbaron, und ich muß ihm die Billette ausliefern — was vermag ich gegen das Kapital. Drei Stunden braucht so ein Schurke für seine Karriere. Schätze Bankeinbruch, Vergewaltigung, Raubmord oder Politik.»

«Wirklich empörend«, antwortete darauf Don Ruiz auf spanisch (das von der Abendschule stammte).

Archilochos dagegen, während es schon eindunkelte und die Lichter aufleuchteten, fuhr über die neue Brücke nach dem Boulevard Künnecke, zum Wohnsitz des Bischofs der Altneupresbyteraner der vorletzten Christen, doch fand er vor der kleinen Villa im viktorianischen Stil Bibi vor, mit zerbeultem Hut, zerrissen und verschmutzt, auf dem Trottoirrand sitzend, nach Fusel stinkend und gegen eine Straßenlaterne gelehnt, eine Zeitung lesend, die er im Rinnstein gefunden hatte.

«Wie bist denn du gekleidet, Bruder Arnolph?«fragte dieser, pfiff durch die Zähne, schnalzte mit der Zunge, schneuzte mit den Fingern und faltete die schmutzige Zeitung sorgfältig zusammen.

«Was trägst denn du für Klamotten? Prima Kluft.«»Ich bin Generaldirektor geworden«, sagte Arnolph.

«Sieh mal einer an!»

«Ich werde dich als Buchhalter einstellen in der Geburtszangenabteilung, wenn du mir versprichst, dich zusammenzunehmen. Ordnung muß sein.»

«Nein, Arnolph, meine Natur ist nicht fürs Büro geschaffen. Hast du zwanzig Lappen?»

«Was ist schon wieder?»

«Gottlieb ist eine Fassade hinuntergesaust, Arm kaputt.»

«Welche Fassade?»

«Die von Petit-Paysan.»

Archilochos wurde böse, das erste Mal in seinem Leben.

«Gottlieb hat bei Petit-Paysan nicht einzubrechen«, herrschte er den verwunderten Bruder an,»er hat überhaupt nicht einzubrechen. Petit-Paysan ist mein Wohltäter. Aus schöpferischem Sozialismus hat er mich zum Generaldirektor ernannt, und nun verlangst du noch Geld von mir, Geld, das ich schließlich von Petit-Paysan habe.»

«Wird nicht mehr vorkommen, Bruder Arnolph«, antwortete Bibi mit Würde,»war eine bloße Übung, Gottlieb hat sich auch nur verrechnet. Er wollte beim Gesandten von Chile nach Pinke suchen, dort ist die Fassade auch kommoder. Er hat sich bei der Nummer geirrt, ist ja auch noch ein unschuldiges Kind. Nun gibst du die Lappen?«— und er zeigte seine hohle Bruderhand.

«Nein«, sagte Archilochos,»solche Gaunereien kann ich nicht unterstützen. Ich muß jetzt zum Bischof.»

«Werde auf dich warten, Bruder Arnolph«, sagte Bibi unerschütterlich und entbreitete die Zeitung aufs neue:»Habe die Weltgeschichte zu übersinnen.»

Bischof Moser, dick und rosig, im schwarzen pfarrherrlichen Kleide und steifen, weißen Kragen, empfing Archilochos in seinem Studierzimmer, in einem kleinen, hohen, verrauchten Raum, nur von einem Lämpchen erleuchtet, mit Büchern umstellt, geistlichenundweltlichen, miteinem hohen Fenster hinter schweren Vorhängen, durch das der Schein der Straßenlampe fiel, unter der Bruder Bibi wartete.

Der Besucher stellte sich vor. Er sei eigentlich Unterbuchhalter, heute jedoch Generaldirektor der Atomkanonen- und der Geburtszangenabteilung in der Petit-Paysan-Maschinenfabrik geworden.

Bischof Moser betrachtete ihn wohlgefällig.

«Ich weiß, guter Freund«, lispelte er.»Sie besuchen die Gottesdienste von Prediger Thürcker in der Heloisen-Kapelle, nicht wahr? Bin auch ein wenig im Bilde über unsere liebe altneupresbyteranische Gemeinde. Seien Sie willkommen.»

Der Bischof schüttelte dem Generaldirektor kräftig die Hand.

«Nehmen Sie Platz«, sagte er, wies ihm einen bequemen Lehnstuhl an und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.

«Danke«, sagte Archilochos.

«Bevor Sie mir Ihr Herz ausschütten, möchte ich Ihnen meines ausschütten«, lispelte der Bischof.»Nehmen Sie eine Zigarre?»

«Ich bin Nichtraucher.»

«Ein Gläschen Wein? Schnaps?»

«Ich bin Temperenzler.»

«Gestatten Sie, daß ich mir eine Zigarre genehmige? So mit einer Dannemann läßt sich gar traulich reden und köstlich beichten von Mensch zu Mensch. Sündige tapfer, sagte Luther, und ich möchte sagen: Rauche tapfer, und hinzufügen: Trinke tapfer. Sie erlauben doch?»

Er füllte ein kleines Glas mit Schnaps, den er in einer alten Flasche hinter den Büchern verwahrte.

«O bitte«, sagte Archilochos etwas verstört. Es tat ihm leid, daß sein Bischof doch nicht ganz dem Vorbild entsprach, das er stets für ihn gewesen war.

Bischof Moser steckte sich eine Dannemann in Brand.

«Sehen Sie, lieber Bruder, wie ich wohl sagen darf, es war schon längst mein Herzenswunsch, einmal mit Ihnen zu plaudern (er stieß die ersten Dannemannwolken von sich). Aber mein Gott, was hat auch so ein Bischof alles zu tun. Da muß man Altersheime besuchen, Jugendlager organisieren, gefallene Mädchen in christlichen Heimen unterbringen, den Sonntagsschul- und den Konfirmandenunterricht inspizieren, Kandidaten examinieren, die Neupresbyteraner traktieren, unseren Predigern den Kopf waschen. Man hat tausend Dinge und Dingelchen zu tun und kommt zu nichts Rechtem. Da hat mir nun unser lieber Thürcker immer von Ihnen geplaudert, haben Sie doch noch nie eine Gemeindeandacht verfehlt und einen doch wahrlich seltenen Eifer für unsere Gemeinschaft an den lieben langen Tag gelegt.»

Der Besuch der Gemeindeandachten sei ihm ein Herzensbedürfnis, stellte Archilochos schlicht fest.

Bischof Moser schenkte sich ein zweites Gläschen Schnaps ein.

«Sehen Sie. Mit Vergnügen habe ich das stets vernommen. Und nun ist unser verehrtes Mitglied des altneupresbyteranischen Weltkirchenrates vor zwei Monaten zu seinem himmlischen Vater heimgegangen, und da dachte ich schon seit einiger Zeit, ob nicht gerade Sie der geeignete Mann für diesen ehrenamtlichen Posten wären, was sich ja mit Ihrem Berufe als Generaldirektor wohl kombinieren ließe — man müßte nur die Atomkanonenabteilung vielleicht nicht zu sehr betonen —, brauchen wir doch Männer, die mit beiden Füßen mitten im harten und oft grauslichen Lebenskampf stehen, Herr Archilochos.»

«Aber Herr Bischof…»

«Nun, nehmen Sie an?»

«Es ist mir eine unverhoffte Ehre…»

«Dann darf ich Sie dem Weltkirchenrat vorschlagen?»

«Wenn Sie meinen…»

«Ich will nicht verhehlen, daß der Weltkirchenrat meinen Vorschlägen willig und oft nur allzu willig folgt. Stehe ich so doch nur allzu oft im Geruch, ein eigenwilliger Kirchenpapst zu sein. Sind alles gemütliche Herren und gute Christen freilich, das will ich dem Weltkirchenrat zubilligen, die froh sind, wenn ich ihnen das Organisatorische abnehme und hin und wieder auch für sie denke, eine Beschäftigung, die leider nicht immer jedermanns Sache ist, auch nicht die des Weltkirchenrats. Die nächste Sitzung, zu der Sie sich als Kandidat zu begeben hätten, findet in Sidney statt. Im Mai. Ist ja auch ein Gottesgeschenk, so ein Reischen, man lernt Land und Leute kennen, fremde Sitten, fremde Bräuche, die Not, die Probleme der lieben Menschheit auch in anderen Zonen. Die Spesen übernimmt selbstverständlich die altneupresbyteranische Kirche.»

«Ich bin beschämt.»

«Dies ist mein Anliegen«, lispelte der Bischof,»kommen wir nun zu Ihrem. Von Mann zu Mann gesprochen, Herr Generaldirektor. Errate ich den Grund doch schon. Sie trachten, sich zu verehelichen, sich mit einem trauten Weibe zu verbinden. Sah Sie gestern zwischen dem Krematorium und dem Landesmuseum, grüßte auch, mußte nur schleunigst in ein düsteres Nebengäßchen entwischen, ein altes, sterbendes Weiblein liegt mir dort am Herzen — auch so eine Stille im Lande.»

«Gewiß doch, Herr Bischof.»

«Nun, habe ich es erraten?»

«Es ist so.»

Bischof Moser schloß die griechische Bibel, die vor ihm lag.

«War ein schmuckes Frauchen«, sagte er.»Wünsche Ihnen Glück. Wann soll denn die Hochzeit sein?»

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