Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander - Страница 34
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Bolitho grunzte. Der Zweite bereitete ihm schon seit einiger Zeit Sorgen. Okes hatte sich sogar erboten, an Herricks Stelle auf der Fregatte zu bleiben, was sehr sonderbar war. Bolitho wu?te, da? Okes nicht reich war. Jede Beforderung au?erhalb der Reihe und ein lobender Bericht in der Gazette hatten fur seine Karriere viel bedeutet. Wahrscheinlich hat er Angst. Nun, bis auf Wahnwitzige mu?te jeder Angst haben, dachte Bolitho.
«Wir werden die Landzunge bald sichten«, antwortete er.»Die hohe Brandung mu? sie anzeigen. «Er rief sich mit aller Macht das Bild vor Augen, das er sich von der Insel gemacht hatte. Sie glich irgendwie einem Hufeisen, die tiefe Reede lag zwischen zwei geschwungenen Landspitzen verborgen. Die Ortschaft befand sich auf der dem Meer zugekehrten Seite der ihnen zunachst liegenden Landzunge. Dort war der einzige flache Strand der ganzen Insel. Nach der Karte und den Angaben, die er aus dem Spanier herausgequetscht hatte, waren Reede und Ortschaft durch einen unebenen Weg verbunden, der mit Hilfe einer Holzbrucke eine tiefe Schlucht uberquerte. Die Spitze der Landzunge war durch diese Schlucht isoliert. Auf dem hochsten Punkt sollte eine starke Batterie postiert sein, wahrscheinlich Vierundzwanzigpfunder. Sie konnten die ganze Reede leicht verteidigen. Eine Sandbank und mehrere Riffe machten au?erdem jede Annaherung zu einem Risiko. Im Grunde war es unmoglich, ohne gutes Tageslicht einzulaufen. Kein Wunder, da? die Franzosen diese Insel zu ihrem Stutzpunkt gewahlt hatten.
«Die Landzunge, Sir!«Ein Matrose wies nach vorn.»Dort,
Sir.»
Bolitho nickte und ging nach achtern.»Gut achtgeben, Stockdale! Etwa eine Viertelmeile voraus liegt das Ufer. Dort soll eine Landungsbrucke aus Holz sein, wenn man den Angaben des Spaniers trauen darf.»
Im Bug warf ein Matrose das Lot aus und meldete heiser:»Etwa Strich zwei, Sir.»
Zwei Faden Wasser unter dem Kiel, und noch waren sie weit vom Land entfernt. Ein Uberraschungsangriff konnte in der Tat nur von einem so kleinen Boot wie dem Lugger ausgefuhrt werden. Und das Uberraschungsmoment war ihr einziger Vorteil. Niemand, der bei gesunder Vernunft war, wurde erwarten, da? ein einzelnes kleines Boot sich dieser stark befestigten Insel bei volliger Dunkelheit naherte.
Steuermann Belsey sagte heiser:»Ich sehe die Pier, Sir. Dort druben.»
Bolitho schluckte schwer und spurte ein Prickeln in der Wirbelsaule. Er ruckte seinen Degen zurecht und vergewisserte sich, da? seine Pistole griffbereit war.
«Holen Sie den Spanier«, sagte er heiser vor Spannung.
Der Gefangene klapperte vor Furcht mit den Zahnen. Bolitho packte ihn beim Arm. Er roch die Furcht des Mannes. Jetzt war der Augenblick, dem Spanier einen Schrecken ins Gebein zu jagen. Er mu?te sich mehr vor ihm als vor dem furchten, was ihm die Franzosen antun konnten.»Horen Sie gut zu. «Bolitho schuttelte den Mann bei jedem Wort.»Wenn wir angerufen werden, wissen Sie, was Sie zu tun haben, nicht wahr?»
Der Spanier nickte heftig.»Laterne zeigen. Signal geben, Exzellenz. »
«Und wenn man Sie fragt, warum Sie bei Nacht hereinkommen, sagen Sie, da? Sie Nachrichten fur den Garnisonskommandanten bringen.»
«Aber Exzellenz, ich bringe nie Nachrichten.»
«Halten Sie den Mund. Sagen Sie es! Wie ich Wachen kenne, geben sie sich damit erst einmal zufrieden.»
Die Pier ragte wie ein schwarzer Finger aus der Finsternis. Die Segel wurden langsam geborgen, und als der Lugger sanft auf die Landungsbrucke zuglitt, leuchtete eine Laterne auf, und jemand rief: «Qui voala?»
Der Spanier offnete die Blende seiner Laterne. Zwei lange, zwei kurze Blinkzeichen. Mit bebender Stimme stotterte er seine Botschaft heraus. Zwischen jedem Wort mu?te er tief Luft holen. Er schlotterte derma?en vor Angst, da? Farquhar ihn gegen den Mast drucken mu?te wie eine Leiche. Die Wache sagte etwas zu einem anderen Mann hinter einer kleinen Hutte in halber Hohe der Pier. Bolitho horte ihn lachen. Metall klirrte zweimal, als die Wachen ihre Gewehre entspannten.
Der Bug schwang zur Pier herum, und Bolitho sah, wie der Wachsoldat sich vorbeugte, um zu beobachten, wie der Lugger festmachte. Er hatte das Gewehr uber die Schulter geworfen. Im Gluhen seiner langen Tonpfeife blitzte sein hoher Tschako kurz auf. Bolitho hielt den Atem an. Jetzt wurde sich zeigen, ob er die richtigen Manner ausgewahlt hatte.
Er verfolgte, wie ein Matrose, den Festmacher in der Hand, mit gespielter Gelassenheit die Leiter erklomm. Der Posten rief ihm etwas zu. Doch es war nicht zu verstehen, weil er sich umdrehte, um zuzusehen, wie der Matrose das Tau uber einen Poller warf. Ein zweiter Matrose, der auf dem Vordersteven gekauert hatte, sprang wie eine Katze hinauf. Sekundenlang schwankten die zwei Gestalten in einem makaberen Tanz, aber man vernahm kaum einen Laut. Erst als der Matrose den Griff lockerte und den toten Posten gerauschlos auf die Pier sinken lie?, begriff Bolitho, da? die Zeit zum Handeln gekommen war.
«Der Nachste!«zischte er.
Belsey glitt uber den Bug, gefolgt von einem Matrosen, der die Klinge seines Messers an der Hose abwischte. Beide verschwanden hinter der Hutte. Diesmal gab es ein paar Gerausche: das Klappern eines fallenden Gewehrs, etwas wie ein Rocheln, nicht mehr.
Bolitho kletterte zur Pier hinauf. Er bebte vor unterdruckter Erregung.»Mr. Okes, rucken Sie mit Ihrem Kommando im Laufschritt zum Ende der Pier vor. «Er hielt einen Matrosen zuruck, der losrasen wollte, und zischte:»Ruhig! Hinten ist ein Wachhaus.»
Rennies Seesoldaten stromten aus dem Laderaum, das wei?e Lederzeug stach hell von ihren Uniformen ab. Rennie hatte seine Order nicht vergessen. Innerhalb weniger Minuten hatte er seine Leute in zwei Abteilungen gegliedert. Auf ein einziges Kommando hin sturmten die Gruppen uber die Pier auf die schweigende Ortschaft zu.
Stockdale verlie? den Lugger als letzter. Das Entermesser baumelte wie ein Spielzeug in seiner Hand.
Bolitho blickte sich noch einmal prufend um.»Also, Stockdale, sehen wir uns die Geschichte mal an!»
VIII Der Angriff
Bolitho hob die Hand, die Matrosen machten halt.»Zehn Minuten Rast. Nach hinten durchsagen.»
Er wartete, bis alles wieder still war, und sagte dann zu Leutnant Okes:»Wir gehen noch ein Stuck weiter und werfen einen Blick auf die Brucke. Sich hier den Kopf zu zerbrechen, hilft Rennies Seesoldaten auch nicht. Es ist bereits fast zwei Uhr. Ehe die Dammerung heraufkommt, gibt es noch viel zu tun.»
Bolitho stieg den steilen Weg hinauf, ohne Okes' Erwiderung abzuwarten. Die lockeren Steine knirschten unter seinen Sohlen. Ihm war sonderbar zumute. Alles war so gut gegangen, da? die Anspannung sich um so starker bemerkbar machte. Das Gluck konnte doch unmoglich andauern.
Vor kaum einer Stunde hatte der Lugger am Pier angelegt. Nachdem die beiden Posten niedergemacht worden waren, hatten Rennies Seesoldaten das kleine Wachhaus am Anfang der Kustenstra?e erobert. Die schlafenden Soldaten, alle zehn, waren durch Keulenschlage betaubt worden, und den wachhabenden Unteroffizier hatte man ergriffen und wie ein Paket zusammengeschnurt.
Bolitho war dann losmarschiert, wahrend Rennie seine Leute entlang der Stra?e verteilte und das Gelande oberhalb der Ortschaft besetzte. Hier mu?ten sie eigentlich allem standhalten konnen, bis das Angriffskommando seine Arbeit vollendet hatte.
Bolitho kniete sich hin und versuchte, die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen. Verschwommen sah er die dunnen Umrisse einer hohen Holzbrucke und dahinter das abgetrennte Gebiet, wo die schlafende Bedienung der Batterie lag und noch nichts von dem ahnte, was vorging. Eine ziemlich solide Brucke, dachte Bolitho. Breit und tragfahig genug fur den Transport von Geschutzen und Vorraten, von Geschossen und allen Materialien zum Bau von Brustwehren und Schie?scharten. War sie erst einmal in die Luft gesprengt, wurde es lange dauern, sie wieder zu ersetzen.
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