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Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander - Страница 52


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Alle brullten und schrien durcheinander. Die Rufe wurden zu

Angstschreien, als die Kanone, wie durch unsichtbare Hande gelenkt, feindselig die Richtung anderte und uber das sich neigende Deck wie verruckt zuruckraste.

«Los, Leute«, schrie der Leutnant.»Holt Handspaken und neue Sorgleinen. Schnell, oder sie schmettert uns durch die Schanze.»

Die Ankerwache rannte von ihren Positionen zu den durcheinanderlaufenden Mannern hinuber. In der Mitte der Wirrnis schwang der lange Neunpfunder frohlockend und todlich seine Mundung herum, als ware er auf neue Verheerungen aus, ehe er quietschend und polternd zur entgegengesetzten Seite hinuberrollte. Er krachte in eine andere Kanone und zerschmetterte ein Gestell von Geschossen. Die rollenden Kugeln steigerten den Hollenlarm. Man horte, wie einige auf das tiefere Deck aufschlugen. Ein couragierter Seemann sprang uber das Verschlu?stuck und warf das Auge eines Tampens uber die Mundung. Doch die Kanone rollte von neuem zuruck, und er schrie gellend auf, als sie ihn mit ihrem ganzen Gewicht am Schanzkleid zerquetschte.

Bolitho packte Farquhar am Arm.»Da, sie haben einen Keil unter die Lafette getrieben. Hochste Zeit fur uns.»

Noch wahrend seiner Worte drehten sich einige Seeleute zu ihnen um und starrten sie an, unglaubig zuerst, dann in kalter Wut. Bolitho zog sich mit seinen zwei Gefahrten langsam zum Bug zuruck, hinter sich die See und vor sich die herandrangende, geschlossene Masse der Manner, die, weil sie stumm vorruckte, nur um so schrecklicher wirkte.

Dann rief einer:»Schlagt sie tot! Stecht die Hunde ab«, und damit brach die Spannung.

Die Hinteren drangten, und die ganze Meute scho? vorwarts, um aber plotzlich unsicher halt zu machen, als etwas wie ein Kanonenschu? uber das Deck hallte. Stockdale stie? einen Triumphschrei aus:»Sie ist durch! Die Kette ist gekappt!»

Die Matrosen der Andiron stierten einander noch einen Augenblick an. Doch dann, als ihnen die unerwartete Gefahr dammerte, in der sie schwebten, zogerten sie nicht langer. Vom Hauptdeck rief ein Offizier, und der Ruf wurde von denen, die den Kopf nicht ganzlich verloren hatten, nach vorn weitergegeben.»Aufentern! Aufentern! Setzt Marssegel!»

Vom Achterdeck erscholl, durch das Sprachrohr verstarkt,

Hugh Bolithos Stimme:»Ruder bemannen!«Und wahrend das Schiff vom Bug bis zum Heck wie ein freigelassenes Tier zitterte, rief er:»Mr. Faulkner, treiben Sie die Leute an die Brassen!»

Bolitho lehnte an der Reling, den Dolch in der Hand. Die Fregatte krangte schwer und fiel ab. Manner enterten hastig in die Wanten auf, und vor dem dunklen Himmel blahte sich bereits ein Stuck klatschender Leinwand. Wieder ertonte das Sprachrohr:»La?t die Kerle nicht von der Back runter. Schie?t sie nieder, wenn sie fluchten wollen.»

Belsey wischte sich die Stirn und murmelte:»Selbst wenn unsere Jungs drau?en sind, jetzt werden sie kaum einen Angriff wagen. «Er sah Bolitho an.»Nun kann ich in Frieden sterben, Sir. Schatze, wir haben heute nacht ganze Arbeit geleistet.»

Ein orangefarbener Schein erhellte plotzlich Belseys Gesicht. Bolitho fuhr uberrascht herum. Kanonenkugeln heulten durch die Luft. Stagen und Fallen rissen, und die Decksplanken vor ihm splitterten und barsten, als die Kugeln in das Vorschiff schlugen.

«Die Batterie feuert auf uns!«Farquhar schwenkte den Hut.»Die damlichen Narren feuern auf ihre eigenen Leute.»

Bolitho zog ihn auf die Planken.»Und auf uns. Also gehen Sie mit Ihrem Kopf in Deckung, Mr. Farquhar. Womoglich brauchen Sie ihn noch.»

Die Geschutze schwiegen jetzt. Doch die eine wohlgezielte Salve hatte ausgereicht. Das unverzugliche Handeln der Offiziere der Andiron und die schnelle Reaktion einiger Seeleute hatte die dem Schiff drohende Gefahr vielleicht abgewendet. Doch die Kartatschen, die Wanten und Rahen leerfegten und einige der noch auf dem Hauptdeck befindlichen Manner niedermahten, hatten die letzte Moglichkeit dazu vereitelt.

Die schwarze Silhouette von Dogwood Point schien immer mehr zu wachsen und das Schiff immer kleiner zu werden. Doch noch sah es aus, als ob die Andiron durch Wind und Stromung klarkommen wurde. Aber als Bolitho seine gaffenden Gefahrten zum Deck zog, erbebte der Rumpf, und ein furchtbarer Sto? schleuderte die restlichen Seeleute zu Boden.

Belsey blickte zum Himmel und bekreuzigte sich.»Der Gro?mast kommt herunter. Mein Gott, der Besan auch!»

Bolitho verfolgte fasziniert, wie die beiden gro?en Masten erzitterten und sich sehr langsam nach Steuerbord neigten. Dann brachen die Stagen. Der Winkel wurde drohender, bis die Masten schlie?lich, von einem Gewirr aus Rahen und zerfetztem Segeltuch umgeben, krachend umsturzten und in das schaumende Wasser fielen. Noch ein Krachen und Sto?en erschutterte den Rumpf. Wahrend sich das Deck immer starker uberlegte, kampfte Belsey sich hoch und rief:»Sie sitzt auf der Sandbank. In ein paar Minuten bricht sie auseinander.»

Die Kanonen rissen sich los und rasten durch die schreienden Reste ihrer einstigen Herren. Keine Aussicht, ein Boot auszubringen, und das versuchte auch niemand. Einige sprangen bereits uber Bord, nur um von der starken Stromung sofort abgetrieben zu werden. Andere rannten unter Deck, als glaubten sie, im Finstern Sicherheit zu finden. Und uberall gellten flehende drohende und fluchende Schreie, als das Schiff auseinanderbarst. Der Vormast brach vier Fu? uber Deck ab und folgte den anderen. Aus einer gut ausgerusteten Fregatte war ein taumelndes, entmastetes Wrack geworden.

Belsey rief durch das Getose:»Da ist ein Lukendeckel, Sir. Treibt genau vorm Bugspriet. «Er blickte Bolitho wild an.»Wollen wir uber Bord springen?»

Bolitho drehte sich um. Das Deck erbebte von neuem, und noch eine Kanone raste durch eine Gruppe kriechender Seeleute. Dann erblickte er Hugh, der allein an der Achterdeckreling stand. Er gab keine Befehle mehr, sondern stand vollig regungslos da, als wolle er den Todeskampf seines Schiffes bis zum letzten teilen. Bolitho starrte noch einen Augenblick langer zu seinem mehr als eine Deckslange entfernten Bruder hinuber. Er spurte plotzlich Verstandnis, ja Mitleid, weil er nur zu gut wu?te, was er in solchen Minuten empfunden hatte.

«Uber Bord, Jungs!«sagte er dann barsch.»Seht zu, da? ihr beim Sprung gut klarkommt.»

Belsey und Farquhar sprangen zusammen, und er beobachtete, wie sie sich an den treibenden Lukendeckel herankampften. Dann sagte Stockdale heiser:»So, Kapitan, ich springe mit Ihnen.»

Er packte gerade die Reling, als er hinter sich einen Schrei horte und undeutlich einen Offizier wahrnahm, der sich das schrage Deck hinaufzog. Das Gesicht des Mannes war blutverschmiert, aber Bolitho erkannte den Leutnant, der seine einsame Haft auf dem Achterdeck geteilt und der von seiner Farm und seinen Zukunftsplanen gesprochen hatte. Plotzlich sah er die Pistole in der Hand des Leutnants. Gerade, als er sich uber die Reling schwingen wollte, zuckte ein greller Blitz uber das Deck, und etwas wie wei?gluhendes Eisen fuhr ihm quer uber die Brust.

Stockdale wandte sich um und stie? einen kurzen, tierischen Schrei aus, der seine Seele zu sprengen schien. Dann holte er mit voller Kraft aus. Die Wucht des Axthiebes enthauptete den amerikanischen Offizier beinahe, so da? es den Anschein hatte, als verbeuge sich der Mann mit einem gra?lichen Gru?.

Bolitho spurte dumpf, wie Stockdale die Arme um ihn schlang und ihn hochhob, so da? er durch die Luft sauste. Seine Lungen barsten, Salzwasser drang ihm in die Kehle, und als er die Augen aufzuschlagen versuchte, umgab ihn nichts als stechende Finsternis. Dann wurde er auf das kleine Flo? gezogen und horte Belsey keuchen:»O diese verfluchten Schweinehunde! Sie haben den Kapitan umgebracht!»

Dann Farquhars Stimme, bebend, doch bestimmt:»Um Gottes willen, pa?t auf. Da ist ein Boot. Duckt euch und keinen Laut!»

Bolitho versuchte zu sprechen, konnte aber nur zu Stockdales nebelhaftem Gesicht hinaufstarren, das sich gegen die niedrigen, jagenden Wolken abzeichnete. Er horte Riemen und wie ein Boot durchs Wasser schnitt. Aber Gefangenschaft oder Tod waren nicht vergebens, diesmal nicht. Er lauschte den fernen Brechern, die gegen das Wrack der Fregatte schlugen, und den leisen Schreien derjenigen, die sich noch immer auf dem zerschmetterten Rumpf festkrallten.

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