Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Kent Alexander - Страница 55
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Er kam an einem Wachtposten Prideauxs vorbei. Die gekreuzten Brustriemen des Marinesoldaten schimmerten hell in der Dunkelheit. Dann durch das breite Tor und an dem Galgen voruber, wo der Aufseher Kimura auf ihn wartete.
«Nun?«Er konnte den Mann riechen: Schwei? und das farblose Getrank, das wie Rum schmeckte und einen umbrachte, wenn man zuviel davon trank.
Kimura sagte mit seiner fremdartigen Stimme:»Sie warten oben, Sir. Mir haben sie nichts gesagt.»
Nach der Fahrt in der Gig und dem Weg von der Pier herauf schien Raymonds Raum in blendendes Licht getaucht zu sein.
Raymond stand in einem knochellangen Hausmantel aus rotem Satin mit zerwuhltem Haar neben dem Schreibtisch und blickte ungehalten auf die offene Tur. Hardacre sa? in einem Sessel, sein Gesicht war sehr grimmig, die Finger hatte er vor dem Bauch ineinander verschlungen. Und neben einem der verhangten Fenster bildete der Kapitan der Pigeon dazu einen krassen Gegensatz, brachte die Weite des Ozeans in den Raum.
William Tremayne hatte sich kaum verandert, fand Bolitho, der auf ihn zuging und seine Hand ergriff. Breit und untersetzt, mit borstigem, grauem Haar und so dunklen Augen, da? sie im Lampenlicht wie nasse Kohlen schimmerten.
Tremayne grinste.»Dick Bolitho!«Er druckte ihm die Hand mit einer Handflache, so rauh wie ungehobeltes Holz.»Wie geht's denn, mein Alter? Immer noch Kapitan?«Er lachte verhalten mit Lauten, die aus der Tiefe kamen und bei Bolitho sofort Erinnerungen auslosten.»Ich hatte damit gerechnet, da? du jetzt mindestens Chef der Marine des Konigs bist.»
Raymond unterbrach schroff:»Ja, ja, schon gut. Setzen Sie sich bitte alle beide. Die herzliche Begru?ung kann warten. «Tremayne spahte mit unschuldigen dunklen Augen unter seinen Sessel.
«Was gibt es denn noch?«Raymond schien am Rand einer Explosion zu stehen.
Tremayne sah ihn bekummert an.»Tut mir leid, Sir. Ich dachte, Sie sprechen mit einem Hund, und ich hab' nur nach ihm gesucht.»
Raymond rausperte sich heftig, und Bolitho sah, da? seine Hande stark zitterten.
Raymond sagte:»Die Lage ist ernst, Bolitho. «Tremayne fuhr unbekummert dazwischen:»Ja, das ist sie, Dick. Ganz Europa ist in Aufruhr und droht zu explodieren.»
Bolitho beobachtete Raymonds Hande.»Spanien?«»Schlimmer. «Raymond schien Schwierigkeiten zu haben, die richtigen Worte zu finden.»In Frankreich hat es eine blutige Revolution gegeben. Der Pobel hat die Herrschaft an sich gerissen, den Konig und die Konigin ins Gefangnis geworfen. Sie mogen vielleicht jetzt schon tot sein, wahrend wir noch hier sitzen. Den Berichten zufolge wurden Tausende gejagt und offentlich gekopft. Jeder von adliger
Abstammung oder mit der geringsten Autoritat wurde ergriffen und abgeschlachtet. Unsere Kanalhafen sind mit Fluchtlingen uberfullt.»
Bolitho spurte, da? ihm der Mund trocken wurde. Revolution in Frankreich? Das erschien ihm nicht moglich. Es war zu Aufruhr wegen der Lebensmittelversorgung und zu Unruhen gekommen, aber das hatte man nach dem Krieg auch in England erlebt. Er konnte sich gut vorstellen, wie diese Nachrichten zu Hause wirkten. Bei den Torichten und jenen, die nicht nachdachten, wurde es kurze Zeit Begeisterung daruber geben, da? ein alter Feind zusammengebrochen war. Und dann wurde kalte Logik und Verstandnis einsetzen. Frankreich war nur durch den Kanal von England getrennt, und es wurde vom Terror beherrscht. Wahrend er sich um die Aufgaben der Tempest gesorgt und die Nachricht von der Meuterei auf der Bounty von Timor nach Sydney gebracht hatte, war in der Welt, die zahlte, eine Brandfackel entflammt worden.
Raymond sagte:»Das bedeutet Krieg. «Er starrte auf die Wand, als ob er erwarte, dort den Feind zu sehen.»Und der letzte wird im Vergleich dazu wie ein Scharmutzel erscheinen.»
Tremayne betrachtete ihn neugierig und sagte dann zu Bolitho:»Es hat im vergangenen Juli angefangen. Inzwischen kann alles noch viel schlimmer geworden sein. Trotzdem wird es fur diesen Franzosen Genin eine gute Nachricht sein, nehme ich an. «Bolitho sah Raymond an.»Genin?«»Ja, Yves Genin, einer der fuhrenden Kopfe der Revolution. Gestern war auf ihn noch ein Preis ausgesetzt. Heute…«Bolitho starrte ihn an.»Ist das der Mann, den de Barras fangen will?«Er beobachtete, wie Schuldbewu?tsein an die Stelle von Unsicherheit trat.»Sie haben es gewu?t! Die ganze Zeit haben Sie gewu?t, da? Genin kein Krimineller ist, sondern aus politischen Grunden gesucht wird!«»De Barras hat es mir anvertraut, gewi?. «Raymond versuchte, seine Haltung wiederzugewinnen.»Ich mu? meine Untergebenen nicht in alles einweihen. Und uberhaupt, was interessiert Sie das? Wenn es de Barras gelingt, Genin lebend zu fassen, ist das seine AAngelegenheit. Er wird eben den neuen Herren dienen, wenn er nach Frankreich zuruckkommt.»
Tremayne sagte barsch:»Er ware ein Narr, wenn er das tate. Sein Kopf landete in einem Korb, noch ehe er >Beil< sagen konnte. Wenn nur die Halfte von dem stimmt, was ich gehort habe, mu? in Paris die Holle los sein. «Zum ersten Mal nahm Hardacre das Wort. Er sprach sehr leise und beherrscht.»Sie haben nicht ein Wort begriffen, Mr. Raymond, wie?«Er stand auf, ging zum nachsten Fenster und zog den Vorhang beiseite.»Kapitan Bolitho hat es verstanden, selbst ich, ein Mann vom Lande, habe es verstanden, aber Sie?«Seine Stimme hob sich etwas.»Sie sind von Ihrer Gier und Ihrer eigenen Bedeutung so erfullt, da? Sie nichts begreifen. In Frankreich hat eine Revolution stattgefunden. Sie kann sich sogar auf England ausdehnen, und Gott wei?, es gibt genug, die ohne sie nie Gerechtigkeit erfahren werden. Aber hier drau?en, auf diesen Inseln, die Sie nur als Sprungbrett fur Ihre verdammte Zukunft ansehen, was bedeutet sie hier wirklich?«Er schritt an den Tisch und hob aggressiv den Kopf.»Nun? Sagen Sie es doch, verdammt noch mal!»
Bolitho beschwichtigte:»Langsam, Mr. Hardacre. «Er wandte sich dem Tisch zu.»Wenn Sie mir gesagt hatten, da? Genin der Mann ist, der bei Tuke Zuflucht gefunden hat, hatte ich vielleicht einiges vorausgesehen. Jetzt kann es zu spat sein. Wenn Tuke von der Revolution erfahrt, wird er in Genin nicht lediglich eine wertvolle Geisel sehen, sondern auch ein Mittel zum Zweck. Genin ist nicht langer ein gejagter Fluchtling, er vertritt sein Land, ebenso wie Sie oder ich das unsere vertreten.»
Raymond blickte zu ihm auf, seine Augen waren glasig.»Die Narval ? Geht es um sie?»
Angewidert wandte Bolitho sich ab.»Wenn die Besatzung der Narval von dem Umsturz in Frankreich erfahrt, wird sie de Barras und seine Offiziere in Stucke rei?en. «Tremayne sagte nuchtern:»Ich nehme an, er wei? Bescheid. Ich horte, da? wenige Tage vor mir zwei franzosische Postschiffe Kap Horn gerundet haben. Wenn man mich fragt, ist die Nachricht schon uber den ganzen Ozean verbreitet.»
Bolitho versuchte zu denken, ohne sich von seinen Gefuhlen beeinflussen zu lassen. Die vielen Seegefechte, die Namen der Kapitane, franzosische und englische in gleicher Weise, die zu Teilen der Geschichte geworden waren. Der Geschichte, die er mitgestaltet hatte. Wie auch Le Chaumareys.
Dieser weite Ozean wurde von Schiffen aller Art bevolkert, von stattlichen Indienfahrern bis zu Briggs und Schonern, bis zu winzigen Kanus in Fulle. Ja, die Nachricht wurde sich sehr schnell verbreiten.
In den sieben Monaten seit dem Ausbruch der Revolution konnte sich schon die ganze Welt verandert haben. Nur eines war klar erkennbar wie ein Wrack auf einem Riff: Tuke wurde die Narval nehmen. Es war so unausweichlich, da? er den Wunsch unterdrucken mu?te, in die Dunkelheit hinaus zu rennen. Die Besatzung von de Barras wurde sich der neuen Flagge bereitwillig unterwerfen. Nach der barbarischen Weise, wie sie unter de Barras hatte leben und dienen mussen, wurde sie ihn wie eine Flutwelle hinwegschwemmen.
Und dann konnte Tuke in seiner neuen Rolle auftreten, nicht mehr als gefahrlicher und lastiger Pirat, sondern als eine reale Kraft, mit der man rechnen mu?te. In einem hatte Raymond recht: Es bedeutete Krieg. England konnte nicht tatenlos zusehen, da? sich ein neues Frankreich auf seine Kosten ausbreitete. Jedes Schiff wurde dringend benotigt werden. Sie waren nicht einmal auf einen Zusammensto? mit Spanien vorbereitet. Was sollten sie tun, wenn ihnen ein frisch belebtes Frankreich gegenubertrat? Tuke konnte mit seiner kleinen, aber durch nichts bedrohten Flottille tun, was ihm gefiel, nehmen, was er wollte. Ein Imperium grunden, wenn das sein Wunsch war. Bolitho sah Raymond wieder an. Dieser hatte die ganze Zeit uber Genin Bescheid gewu?t.
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