Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander - Страница 34
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Er trug einen einfachen grunen Rock und eine weite Hose. Unter dem Rock blinkte es metallisch. Offensichtlich war es Draffen nichts Neues, eine Pistole zu tragen; er machte durchaus den Eindruck, als konne er ganz gut auf sich aufpassen. Jetzt eben beschattete er die Augen mit der Hand und versuchte zu begreifen, was die Restless vorhatte: Sie drehte wieder in den Wind, ihre Segel flatterten beinahe mittschiffs, aber dann schwang sie auf ihren neuen Kurs herum.
Bolitho ging nach Backbord hinuber und hielt Ausschau nach dem Geschwader. Die Euryalus hatte in der kurzen Zeit so viel Abstand gewonnen, da? die Schiffe im Pulk zu stehen schienen und aus der Entfernung aussahen wie ein mi?gestaltetes Seeungeheuer.
«Mr. Keverne«, rief er,»in drei?ig Minuten nehmen wir Segel weg. Die Restless kann in Lee liegen, bis Sir Hugo an Bord ist.»
Spater, als die Euryalus beigedreht lag und ohnmachtig in den Wellen rollte, die Segel nutzlos und larmend gegen die Masten schlugen, kam Broughton an Deck und sah zu, wie das kleine Dingi der Korvette Draffen abholte.
«So, das ware das!«sagte er befriedigt.
Bolitho sah noch, da? Draffen beim Anbordklettern einen Augenblick verhielt und zuruckwinkte.
«Ich wurde jetzt gern einen Schlag nach Nordost machen, Sir. Das spart Zeit, wenn wir uns nachher wieder dem Geschwader anschlie?en«, sagte er.
Broughton wandte der Korvette, die sich mit gefullten Segeln in rascher Fahrt davonmachte, den Rucken zu.»Bitte, wie Sie meinen«, stimmte er zu und sah Bolitho prufend ins Gesicht.»Sie konnen es wohl nicht erwarten, Ihren Platz in der Formation wieder einzunehmen?«Er lachelte ironisch.»Nun, es wird Fourneaux nichts schaden, wenn er noch ein bi?chen langer Admiral spielen kann.»
Bolitho ging zu Keverne hinuber, der noch immer der Korvette nachsah.»Wir gehen hart an den Wind uber Steuerbordbug, Mr. Ke-verne, Kurs Nordost. Lassen Sie also noch mal >Alle Mann< pfeifen. Nachher konnen sie Essen fassen. Appetit werden sie ja inzwischen bekommen haben. «Eben spahte der wust aussehende Oberkoch, ein bartiger Riese, aus der Kombuse.»Allerdings schaudert es mich bei dem Gedanken, was dieser Kerl manchmal zusammenschmort.»
Dann ging er wieder nach Luv hinuber, und die Matrosen schwarmten nochmals in die Wanten und auf die langen Rahen hinaus. Broughton verstand ihn besser als er wu?te: Unabhangigkeit und Eigeninitiative, so hatte ihn sein Vater gelehrt, waren die beiden kostbarsten Besitztumer fur jeden Kommandanten. Jetzt, da er ein Flaggschiff kommandierte und ans Geschwader gebunden war, begriff er erst richtig, wie er das gemeint hatte.
Plotzlich fiel ihm sein Haus in Falmouth ein und die beiden Portrats, die einander gegenuberhingen. Er empfand eine gewisse Ruhrung, weil er ohne Kummer und Bitterkeit daran denken konnte. Es war fast, als hatte er jemanden dort, der auf seine Ruckkehr wartete.
Unbewegten Gesichts kam Keverne wieder.»Zwei Mann stehen heute nachmittag zur Bestrafung an, Sir.»
«Was?«Bolitho fuhr auf und starrte den Leutnant an.»Ach so. Ja, ist gut.»
Der kurze Augenblick des Friedens war vorbei. Doch als er zur Achterdeckreling ging, wunschte er sich hei? und innig, er moge wiederkehren.
Um sechs Uhr desselben Tages sa? Bolitho an seinem Schreibtisch und sah durch das Heckfenster, den Kopf voller Gedanken. Trute, der Kajutsteward, stellte ihm einen Topf frischgebruhten Kaffee hin und trat wortlos wieder ab. Er hatte sich an die Launen seines Kommandanten gewohnt, der anscheinend unbedingt allein sein wollte, auch wenn er sich seinen Kaffee selbst eingie?en mu?te. Auch da? sein Schreibtisch nach achtern blicken mu?te, und da? er, wenn irgend moglich, lieber dort a? als an seinem schonen E?tisch in der Nebenkajute. Trute hatte bisher drei Kommandanten betreut, aber so einer war nicht darunter gewesen. Alle drei hatten hinten und vorn, zu jeder Tages- und Nachtzeit, bedient werden wollen. Alle drei konnten sehr schnell sehr unangenehm werden, wenn etwas nicht nach Wunsch ging. Aber sosehr er Bolitho als gerechten und rucksichtsvollen Vorgesetzten schatzte, hatte er sich doch bei seinen Vorgangern wohler gefuhlt. Wenigstens hatte er bei denen die meiste Zeit gewu?t, was sie gerade dachten.
Bolitho nippte an dem gluhendhei?en Kaffee. Auch der wurde eines Tages, wie so manches andere, ein Luxusartikel werden. Man wu?te nie genau, wann ein Schiff in bezug auf Lebensmittel und Trinkwasser die Sicherheitsgrenze uberschritt.
Vier Glasen wurden angeschlagen; irgendwo horte er eilige Schritte poltern, vielleicht war es ein Deckoffizier, der eingeduselt war und jetzt rennen mu?te, um rechtzeitig fur die zweite Hundewache abzulosen.
Bolitho hatte den Nachmittag uber viel zu tun gehabt, und zwar hauptsachlich in Angelegenheiten seines eigenen Schiffes, nicht des Geschwaders. Es hatte sich viel angesammelt. Eine endlose Prozession von Leuten wartete, die alle etwas von ihm wollten.
Grubb, der Schiffszimmermann, grauhaarig, immer argwohnisch und pessimistisch auf der Jagd nach dem Erzfeind aller Schiffe, der Faule. Nicht da? er bei seinen taglichen maulwurfsgleichen Streifzugen durch die Eingeweide des Rumpfes, die er nie anders gesehen hatte oder sehen wurde als bei Laternenlicht, etwas gefunden hatte.
Er wollte wohl nur Bolitho vor Augen fuhren, wie unermudlich er um das Schiff besorgt war.
Ein paar Minuten hatte er Clove, dem Kufer, gewidmet, weil sich der Zahlmeister vor einiger Zeit uber den Zustand mehrerer Wasserfasser beklagt hatte. Aber Zahlmeister Nathan Buddle beklagte sich oft und gern, wenn es sich um Dinge handelte, fur die jemand anderer zustandig war. Er war ein dunner, hinterhaltig aussehender Mann mit pergamentener Haut und ewig angstlicher Miene, hinter der, wie Bo-litho argwohnte, etwas ganz anderes stecken mochte als ein paar angefaulte Wasserfasser. Fairerweise mu?te er zugeben, da? Buddles Abrechnungen bisher immer gestimmt hatten; aber man mu?te ihm, wie allen Zahlmeistern, standig auf die Finger sehen.
Und, wie Keverne schon gemeldet hatte, zwei Mann wurden zum Strafvollzug nach achtern gebracht; wie immer sahen alle dabei zu, die nicht gerade Wache gingen.
Bolitho ha?te diese Schauspiele, obwohl er wu?te, da? sie unvermeidbar waren. Es dauerte immer so lange. Die Gratings wurden auf-geriggt, die Delinquenten ausgezogen und festgezurrt, und dann kam seine eigene Stimme, die, das Brausen von Wind und Leinwand ubertonend, die Kriegsartikel verlas.
Der eigentliche Strafvollzug interessierte die Zuschauer gar nicht so sehr.
Der erste Mann, der sich ein Dutzend Hiebe eingehandelt hatte, war beim Kameradendiebstahl erwischt worden. Man war der Meinung, da? er billig weggekommen ware im Vergleich zu dem, was seine
Messekameraden mit ihm angestellt hatten, ware nicht der Schiffskorporal zur rechten Zeit dazwischengekommen. Wie Bolitho gehort hatte, sollte es vorgekommen sein, da? Manner, die ihre Kameraden bestohlen hatten, nachts uber Bord geworfen wurden; ja, einer sollte tatsachlich ohne die Hand, die gestohlen hatte, aufgefunden worden sein. In der brodelnden, standig unter Druck stehenden Welt des Zwischendecks gab es fur einen Dieb wenig Sympathie.
Der zweite Matrose bekam zwei Dutzend wegen Nachlassigkeit im Dienst und Insubordination. Sawle, der jungste Leutnant, hatte ihn gemeldet. In diesem besonderen Fall gab sich Bolitho selbst die Schuld. Er hatte Sawle vor etwa sechs Monaten zum Leutnant befordert; aber hatte er nicht unter dem kranken Admiral Thelwall so viel mit Geschwaderangelegenheiten zu tun gehabt, so hatte er sich das, wie ihm heute klar war, zweimal uberlegt. Sawle schien das Zeug zu einem guten Offizier zu haben, aber das war nur au?erlich. Er war ein murrisch aussehender junger Mann von achtzehn Jahren, und Bolitho hatte Keverne gesagt, er solle aufpassen, da? seine Neigung zum Schikanieren sich in Grenzen hielt. Vielleicht hatte Keverne sein Bestes getan; vielleicht hatte er auch gedacht, das sei alles nicht so schlimm, solange Sawle sonst seinen Dienst versah.
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