Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander - Страница 71
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Das Wachschiff war jetzt vollig au?er Kontrolle geraten und brannte vom Bug bis zum Gro?mast, an dem die Flammen emporleckten und die Segel in Sekundenschnelle zu Asche verwandelten. Wahrend Bolitho noch hinubersah, erzitterte plotzlich der Rumpf, und eine Maststenge fiel wie eine Lanze in den Rauch hinunter. Das Schiff mu?te auf Grund gelaufen sein. Schon trieben mehrere Gestalten im Wasser davon, andere schwammen verzweifelt auf eine Felsgruppe zu.
«Feuer einstellen!»
Stille breitete sich auf Odin aus; selbst die Manner, die nach der letzten Breitseite noch die Kanonenrohre auswischten, richteten sich auf, um Phalarope bei ihrer langsamen und eleganten Annaherung zu beobachten.
Gepre?t sagte Allday:»Seht sie euch an, wie dicht sie rangeht! Die Franzosen konnten einem beinahe leid tun.»
Emes ging auf Nummer Sicher und riskierte weder einen Fehlschu? noch sein Schiff. Eine nach der anderen, vom Bug bis zum Heck fortlaufend, feuerten seine Karronaden, nicht mit dem hallenden Krachen der langen Kanonen, sondern mit flachem, hartem Knall — wie machtige Hammer, die auf den Ambo? schlugen.
Die Karronaden selbst konnte Bolitho nicht sehen, wohl aber die Einschlage, die wie ein Orkan zwischen die restlichen Landungsboote fuhren. Ein Orkan aus gro?en hohlen Eisenkugeln, die beim Aufprall barsten und einen todlichen Kartatschenhagel verspritzten.
Wenn eine einzige dieser Kugeln im geschlossenen Raum unter Deck explodierte, verwandelte sie ihre Umgebung in ein Schlachthaus. Ihre Wirkung auf die leichten, dunnwandigen Landungsboote mu?te verheerend sein.
Emes lie? sich Zeit und nahm bis auf die Bramsegel alles Tuch weg, damit seine Stuckmannschaften in Ruhe ihre Karronaden nachladen konnten. Dann lie? er sie eine letzte Salve abfeuern.
Als das Echo verhallt war und der Rauch sich hob, schwammen nur noch ein knappes Dutzend Boote im Wasser, und auch sie hatten Beschadigungen und Verletzte aufzuweisen.
Bolitho schob sein Fernrohr zusammen und reichte es einem Midshipman. Ubers ganze Gesicht grinsend, schlug Inch seinem Ersten Offizier auf die Schulter.
Der ahnungslose Inch. Bolitho blickte auf, als ein gellender Ruf von oben kam:»An Deck!«und dann:»Segel in Lee voraus!»
Ein Dutzend Teleskope hoben sich fast gleichzeitig, und so etwas wie ein Aufseufzen lief uber das ganze Oberdeck.
Allday neben Bolitho flusterte:»Er kommt zu spat, Sir!«Aber in seiner Stimme lag kein Triumph.
Sorgsam lie? Bolitho sein Glas uber die glitzernden Wellenkamme wandern. Es waren drei Linienschiffe, die auf diese Entfernung dicht zusammengedrangt wirkten; ihre Wimpel und Flaggen setzten bunte Farbtupfer auf den grauen Himmel. Ein viertes Schiff, wahrscheinlich eine Fregatte, rundete gerade erst die Landzunge.
Die Seesoldaten begriffen, da? die ganze Arbeit noch vor ihnen lag, und traten mit scharrenden Stiefeln naher an die Finknetze heran.
Allday hatte das von Anfang an gewu?t, ebenso wie Inch. Aber den hatte die Rolle seines Schiffes im Gefecht so begeistert, da? er diese Erkenntnis verdrangt hatte.
Midshipman Stirling beschattete die Augen, um besser nach der Gruppe heller Segelpyramiden ausspahen zu konnen. Er spurte Bolithos Blick im Rucken und drehte sich um; in seinen Augen lag nicht mehr Siegesgewi?heit, sondern kindliche Verwirrung.
«Kommen Sie naher, Mr. Stirling. «Bolitho deutete auf die fernen Schiffe.»Das ist Remonds Geschwader. Wir haben es heute morgen ziemlich unsanft aufgescheucht.»
«Stellen wir uns zum Gefecht, Sir?«fragte Stirling.
Bolitho blickte ernst auf ihn hinunter.»Sie sind Marineoffizier, Mr. Stirling, ebenso wie Mr. Inch oder ich selbst. Was sollte ich Ihrer Ansicht nach tun?»
Stirling versuchte sich vorzustellen, wie sich all dies im Brief an seine Mutter ausnehmen wurde. Aber kein Bild entstand vor seinem geistigen Auge, und plotzlich furchtete er sich sehr.
«Kampfen, Sir!«sagte er.
«Dann gehen Sie zu Ihren Signalgasten und halten Sie sich bereit, Mr. Stirling. «Und zu Allday gewandt sagte Bolitho:»Wenn er trotz seiner Angst so sprechen kann, dann sollte das uns allen neuen Mut geben.»
Allday warf ihm einen seltsamen Blick zu.»Wenn Sie meinen, Sir?»
«An Deck! Zwei weitere Schiffe runden die Landspitze!»
Bolitho verschrankte die Hande auf dem Rucken. Also funf gegen eins. Inchs Verzweiflung war berechtigt.
Es hatte keinen Sinn, umsonst zu kampfen und zu sterben, Menschenleben grausam zu opfern. Sie hatten schon erreicht, was vorher fast unmoglich geschienen hatte. Neale, Browne und die vielen anderen waren nicht sinnlos gestorben.
Andererseits — fast ebenso grausam wie der Tod wurde Inch den Befehl empfinden, die Flagge zu streichen und zu kapitulieren.
«An Deck!»
Bolitho starrte angestrengt zu dem Ausguckposten auf der Be-sansaling hinauf. Der Anblick des heransegelnden Feindes mu?te ihn so gefesselt haben, da? er vergessen hatte, seinen eigenen Sektor zu beobachten.
«Mein Glas!»
Bolitho ri? das Teleskop dem Midshipman fast aus der Hand, ignorierte die verblufften Blicke der Umstehenden, rannte zu den Wanten und enterte in den Webeleinen so weit auf, bis er hoch uber Deck stand.
«Drei Linienschiffe in Lee achteraus!»
Bolitho, der keinen Blick von den Neuankommlingen wandte, spurte einen Klo? im Hals. Irgendwie hatte es Herrick trotz der widrigen Windverhaltnisse geschafft. Bolitho wischte sich die uberanstrengten Augen trocken und richtete das Glas wieder aus.
Benbow hatte die Fuhrung ubernommen. Mit ihrem vollen
Rumpf und der kuhnen Galionsfigur war sie unverkennbar. Hoch oben wand sich Herricks Kommodorewimpel gequalt hin und her, als das Fuhrungsschiff und mit ihm der Rest des Geschwaders abermals uber Stag gingen — wohl zum hundertsten Male — , um muhsam nach Luv aufzukreuzen und zu ihrem Admiral aufzuschlie?en.
Bolitho enterte aufs Achterdeck nieder und merkte, da? die anderen ihm wie Fremde entgegensahen. Leise fragte Inch:»Ihre Befehle, Sir?»
Bolitho blickte kurz zu Stirling und seinem Sortiment bunter Signalflaggen hinuber.
«Signal an alle, Mr. Stirling: >In Schlachtlinie ansegeln!<»
Allday sah den Signalflaggen nach, die knatternd zur Rah aufstiegen.»Ich wette, das haben die Musjos nicht erwartet!»
Bolitho mu?te lacheln. Der Zahl nach waren sie zwar noch immer unterlegen, aber er hatte schon unter schlechteren Voraussetzungen gekampft. Genau wie Herrick. Zu Stirling gewandt, sagte er:»Sie sehen, ich befolge Ihren Rat!»
Allday mu?te den Kopf schutteln. Er verstand nicht, wie Bolitho das fertigbrachte. Denn in einer Stunde, vielleicht schon eher, wurden sie alle um ihr Leben kampfen mussen.
Den Blick auf den Wimpel im Masttopp gerichtet, lie? Bolitho ein Bild des bevorstehenden Gefechts vor seinem geistigen Auge entstehen. Wenn der Wind durchstand, konnte Schiff gegen Schiff kampfen, aber das bot Remond einen Vorteil. Besser war es, den einzelnen Kommandanten freie Hand zu lassen, wenn die Schlachtlinie des Feindes erst einmal durchbrochen war.
Sein Blick schweifte ubers Deck nach vorn, streifte die nackten Rucken der Kanoniere und die Bootsmannsgehilfen, die alles fur das Aussetzen der Beiboote vorbereiteten. An Deck bedeuteten Boote nur erhohte Splittergefahr im Falle eines Treffers, und diesmal hatten sie es nicht mit hilflosen, uberraschten Landungsfahrzeugen zu tun.
Bolitho sah, da? einige Neulinge seiner Mannschaft flusternd beisammenstanden; die Freude an ihrem ersten Sieg war ihnen wohl seit der Ankunft des starken franzosischen Geschwaders verdorben.»Kapitan Inch!«rief er.»Die Pfeifer sollen uns zum Gefecht aufspielen. Das gibt bessere Laune!»
Inch, der seinem Blick gefolgt war, nickte eifrig.»Dieser Krieg dauert schon so lange, Sir, da? ich es manchmal vergesse, aber es gibt tatsachlich noch Matrosen, die kein einziges wirkliches Seegefecht erlebt haben.»
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