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Iphigenie auf Tauris - Goethe Johann Wolfgang - Страница 8


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Und treiben ihre Beute vor sich her.

Iphigenie:

Kannst du, Orest, ein freundlich Wort vernehmen?

Orest:

Spar es fur einen Freund der Gotter auf.

Iphigenie:

Sie geben dir zu neuer Hoffnung Licht.

Orest:

Durch Rauch und Qualm seh ich den matten Schein

Des Totenflusses mir zur Holle leuchten.

Iphigenie:

Hast du Elektren, eine Schwester nur?

Orest:

Die eine kannt ich; doch die altste nahm

Ihr gut Geschick, das uns so schrecklich schien,

Beizeiten aus dem Elend unsers Hauses.

O la? dein Fragen und geselle dich

Nicht auch zu den Erinnyen; sie blasen

Mir schadenfroh die Asche von der Seele

Und leiden nicht, da? sich die letzten Kohlen

Von unsers Hauses Schreckensbrande still

In mir verglimmen. Soll die Glut denn ewig,

Vorsatzlich angefacht, mit Hollenschwefel

Genahrt, mir auf der Seele marternd brennen?

Iphigenie:

Ich bringe su?es Rauchwerk in die Flamme.

O la? den reinen Hauch der Liebe dir

Die Glut des Busens leise wehend kuhlen.

Orest, mein Teurer, kannst du nicht vernehmen?

Hat das Geleit der Schreckensgotter so

Das Blut in deinen Adern aufgetrocknet?

Schleicht, wie vom Haupt der gra?lichen Gorgone,

Versteinernd dir ein Zauber durch die Glieder?

O wenn vergo?nen Mutterblutes Stimme

Zur Holl hinab mit dumpfen Tonen ruft,

Soll nicht der reinen Schwester Segenswort

Hulfreiche Gotter vom Olympus rufen?

Orest:

Es ruft! es ruft! So willst du mein Verderben?

Verbirgt in dir sich eine Rachegottin?

Wer bist du, deren Stimme mir entsetzlich

Das Innerste in seinen Tiefen wendet?

Iphigenie:

Es zeigt sich dir im tiefsten Herzen an:

Orest, ich bin's! Sieh Iphigenien!

Ich lebe!

Orest:

Du!

Iphigenie:

Mein Bruder!

Orest:

La?! Hinweg!

Ich rate dir, beruhre nicht die Locken!

Wie von Kreusas Brautkleid zundet sich

Ein unausloschlich Feuer von mir fort.

La? mich! Wie Herkules will ich Unwurd'ger

Den Tod voll Schmach, in mich verschlossen, sterben.

Iphigenie:

Du wirst nicht untergehn! O da? ich nur

Ein ruhig Wort von dir vernehmen konnte!

O lose meine Zweifel, la? des Gluckes,

Des lang erflehten, mich auch sicher werden.

Es walzet sich ein Rad von Freud und Schmerz

Durch meine Seele. Von dem fremden Manne

Entfernet mich ein Schauer; doch es rei?t

Mein Innerstes gewaltig mich zum Bruder.

Orest:

Ist hier Lyaens Tempel? und ergreift

Unbandig-heil'ge Wut die Priesterin?

Iphigenie:

O hore mich! O sieh mich an, wie mir

Nach einer langen Zeit das Herz sich offnet,

Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt

Noch fur mich tragen kann, das Haupt zu kussen,

Mit meinen Armen, die den leeren Winden

Nur ausgebreitet waren, dich zu fassen!

O la? mich! La? mich! Denn es quillet heller

Nicht vom Parna? die ew'ge Quelle sprudelnd

Von Fels zu Fels ins goldne Tal hinab,

Wie Freude mir vom Herzen wallend flie?t

Und wie ein selig Meer mich rings umfangt.

Orest! Orest! Mein Bruder!

Orest:

Schone Nymphe,

Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.

Diana fordert strenge Dienerinnen

Und rachet das entweihte Heiligtum.

Entferne deinen Arm von meiner Brust!

Und wenn du einen Jungling rettend lieben,

Das schone Gluck ihm zartlich bieten willst,

So wende meinem Freunde dein Gemut,

Dem wurd'gern Manne, zu. Er irrt umher

Auf jenem Felsenpfade; such ihn auf,

Weis ihn zurecht und schone meiner.

Iphigenie:

Fasse

Dich, Bruder, und erkenne die Gefundne!

Schilt einer Schwester reine Himmelsfreude

Nicht unbesonnene, strafbare Lust.

O nehmt den Wahn ihm von dem starren Auge,

Da? uns der Augenblick der hochsten Freude

Nicht dreifach elend mache! Sie ist hier,

Die langst verlorne Schwester. Vom Altar

Ri? mich die Gottin weg und rettete

Hierher mich in ihr eigen Heiligtum.

Gefangen bist du, dargestellt zum Opfer,

Und findest in der Priesterin die Schwester.

Orest:

Unselige! So mag die Sonne denn

Die letzten Greuel unsers Hauses sehn!

Ist nicht Elektra hier, damit auch sie

Mit uns zugrunde gehe, nicht ihr Leben

Zu schwererem Geschick und Leiden friste?

Gut, Priesterin! ich folge zum Altar:

Der Brudermord ist hergebrachte Sitte

Des alten Stammes; und ich danke, Gotter,

Da? ihr mich ohne Kinder auszurotten

Beschlossen habt. Und la? dir raten, habe

Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne;

Komm, folge mir ins dunkle Reich hinab!

Wie sich vom Schwefelpfuhl erzeugte Drachen,

Bekampfend die verwandte Brut, verschlingen,

Zerstort sich selbst das wutende Geschlecht;

Komm kinderlos und schuldlos mit hinab!

Du siehst mich mit Erbarmen an? La? ab!

Mit solchen Blicken suchte Klytamnestra

Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen;

Doch sein geschwungner Arm traf ihre Brust.

Die Mutter fiel! — Tritt auf, unwill'ger Geist!

Im Kreis geschlossen tretet an, ihr Furien,

Und wohnet dem willkommnen Schauspiel bei,

Dem letzten, gra?lichsten, das ihr bereitet!

Nicht Ha? und Rache scharfen ihren Dolch;

Die liebevolle Schwester wird zur Tat

Gezwungen. Weine nicht! Du hast nicht schuld.

Seit meinen ersten Jahren hab ich nichts

Geliebt, wie ich dich lieben konnte, Schwester.

Ja, schwinge deinen Stahl, verschone nicht,

Zerrei?e diesen Busen und eroffne

Den Stromen, die hier sieden, einen Weg!

Er sinkt in Ermattung.

Iphigenie:

Allein zu tragen dieses Gluck und Elend,

Vermag ich nicht. — Wo bist du, Pylades?

Wo find ich deine Hulfe, teurer Mann?

Sie entfernt sich suchend.

Zweiter Auftritt

Orest aus seiner Betaubung erwachend und sich aufrichtend:

Noch einen' reiche mir aus Lethes Fluten

Den letzten kuhlen Becher der Erquickung!

Bald ist der Krampf des Lebens aus dem Busen

Hinweggespult; bald flie?et still mein Geist,

Der Quelle des Vergessens hingegeben,

Zu euch, ihr Schatten, in die ew'gen Nebel.

Gefallig la?t in eurer Ruhe sich

Den umgetriebnen Sohn der Erde laben! —

Welch ein Gelispel hor ich in den Zweigen,

Welch ein Gerausch aus jener Dammrung sauseln? —

Sie kommen schon, den neuen Gast zu sehn!

Wer ist die Schar, die herrlich miteinander

Wie ein versammelt Furstenhaus sich freut?

Sie gehen friedlich, Alt' und Junge, Manner

Mit Weibern; gottergleich und ahnlich scheinen

Die wandelnden Gestalten. Ja, sie sind's,

Die Ahnherrn meines Hauses! — Mit Thyesten

Geht Atreus in vertraulichen Gesprachen,

Die Knaben schlupfen scherzend um sie her.

Ist keine Feindschaft hier mehr unter euch?

Verlosch die Rache wie das Licht der Sonne?

So bin auch ich willkommen, und ich darf

In euern feierlichen Zug mich mischen.

Willkommen, Vater! euch gru?t Orest,

Von euerm Stamme der letzte Mann;

Was ihr gesat, hat er geerntet:

Mit Fluch beladen stieg er herab.

Doch leichter traget sich hier jede Burde:

Nehmt ihn, o nehmt ihn in euern Kreis! —

Dich, Atreus, ehr ich, auch dich, Thyesten:

Wir sind hier alle der Feindschaft los. —

Zeigt mir den Vater, den ich nur einmal

Im Leben sah! — Bist du's, mein Vater?

Und fuhrst die Mutter vertraut mit dir?

Darf Klytamnestra die Hand dir reichen,

So darf Orest auch zu ihr treten

Und darf ihr sagen: Sieh deinen Sohn! —

Seht euern Sohn! Hei?t ihn willkommen!

Auf Erden war in unserm Hause

Der Gru? des Mordes gewisse Losung,

Und das Geschlecht des alten Tantalus

Hat seine Freuden jenseits der Nacht.

Ihr ruft:»Willkommen!«und nehmt mich auf.

O fuhrt zum Alten, zum Ahnherrn mich!

Wo ist der Alte? da? ich ihn sehe,

Das teure Haupt, das vielverehrte,

Das mit den Gottern zu Rate sa?.

Ihr scheint zu zaudern, euch wegzuwenden?

Was ist es? Leidet der Gottergleiche?

Weh mir! es haben die Ubermacht'gen

Der Heldenbrust grausame Qualen

Mit ehrnen Ketten fest aufgeschmiedet.

Dritter Auftritt

Orest. Iphigenie. Pylades.

Orest:

Seid ihr auch schon herabgekommen?

Wohl, Schwester, dir! Noch fehlt Elektra:

Ein gut'ger Gott send uns die eine

Mit sanften Pfeilen auch schnell herab.

Dich, armer Freund, mu? ich bedauern!

Komm mit! komm mit! zu Plutos Thron,

Als neue Gaste den Wirt zu gru?en.

Iphigenie:

Geschwister, die ihr an dem weiten Himmel

Das schone Licht bei Tag und Nacht herauf

Den Menschen bringet und den Abgeschiednen

Nicht leuchten durfet, rettet uns Geschwister!

Du liebst Diane, deinen holden Bruder

Vor allem, was dir Erd und Himmel bietet

Und wendest dein jungfraulich Angesicht

Nach seinem ew'gen Lichte sehnend still.

O la? den einz'gen, spatgefundnen mir

Nicht in der Finsternis des Wahnsinns rasen!

Und ist dein Wille, da du hier mich bargst,

Nunmehr vollendet, willst du mir durch ihn

Und ihm durch mich die sel'ge Hulfe geben,

So los ihn von den Banden jenes Fluchs,

Da? nicht die teure Zeit der Rettung schwinde!

Pylades:

Erkennst du uns und diesen heil'gen Hain

Und dieses Licht, das nicht den Toten leuchtet?

Fuhlst du den Arm des Freundes und der Schwester,

Die dich noch fest, noch lebend halten? Fa?

Uns kraftig an; wir sind nicht leere Schatten.

Merk auf mein Wort! Vernimm es! Raffe dich

Zusammen! Jeder Augenblick ist teuer,

Und unsre Ruckkehr hangt an zarten Faden,

Die, scheint es, eine gunst'ge Parze spinnt.

Orest zu Iphigenien:

La? mich zum erstenmal mit freiem Herzen

In deinen Armen reine Freude haben!

Ihr Gotter, die mit flammender Gewalt

Ihr schwere Wolken aufzuzehren wandelt

Und gnadig-ernst den lang erflehten Regen

Mit Donnerstimmen und mit Windesbrausen

In wilden Stromen auf die Erde schuttet,

Doch bald der Menschen grausendes Erwarten

In Segen auflost und das bange Staunen

In Freudeblick und lauten Dank verwandelt,

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Goethe Johann Wolfgang - Iphigenie auf Tauris Iphigenie auf Tauris
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